Am 20. Januar gibt es wieder Atomgespräche mit Iran. Die bisher eher glücklose EU-Außenbeauftragte Cathrin Ashton will dann im Auftrag der Sechsergruppe (die fünf Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschland) mit iranischen Diplomaten in Istanbul verhandeln. Die Gespräche waren im Dezember nach einem Jahr der Sprachlosigkeit reanimiert worden. Das allein und die Übereinkunft, es jetzt erneut versuchen zu wollen, galten bereits als Erfolg.
Nun vermuten Experten, dass es am Bosporus gar zum Durchbruch kommt. Andere glauben, das Gesprächsinteresse Teherans sei taktischer Natur, um die Phalanx seiner Gegner zu unterlaufen. Gerade erst wurden Ungarn als EU-Ratspräsident und ausgewählte Staaten wie Russland, China und Kuba eingeladen, iranische Atomanlagen (u.a. in Natanz) zu besichtigen. US-Diplomaten waren weder angefragt noch explizit ausgeladen. Inzwischen hat die EU dieses Katz-und-Maus-Spiel beendet und die Offerte dorthin durchgereicht, wo sie hin gehört: an die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien.
Uran aus den USA
Iran sieht sich seit Jahren dem Verdacht ausgesetzt, mit seinem Atomprogramm vorzugsweise militärischen Ambitionen zu dienen. Zwar bleibt Teheran als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages verpflichtet, nicht nach Kernwaffen zu streben. Doch seit seiner Unterschrift am 1. Juli 1968 hat sich die Zahl der Nuklearmächte, von denen das Land umgeben ist, von zwei (UdSSR, China) um drei weitere (Indien, Pakistan, Israel) erhöht. Derart „umhegt“, wäre es für eine regionale Großmacht strategisch gesehen nicht abwegig, diesem Klub beizutreten – oder sein Atomprogramm soweit voran zu treiben, jederzeit beitreten zu können. Genau das ist der Generalverdacht unter dem die Islamische Republik steht, seitdem die Mullahs in den achtziger Jahren das nukleare Erbe des Schah-Regimes wiederentdeckt haben. Dass Iran Atomkraft zu zivilen Zwecken nutzen darf, ist unstrittig. Ein eigenes, unabhängiges Programm freilich steht und fällt mit dem Vermögen zur Urananreicherung. Für den Betrieb herkömmlicher Kernkraftwerke reicht eine Anreicherung von zwei bis fünf Prozent, für Forschungszwecke sind bis zu 20 Prozent nötig – die Waffenfähigkeit beginnt beim Wert 85.
Das bisher einzige iranische AKW in Bushehr ist mit vielen revolutions- und kriegsbedingten Unterbrechungen seit 1974 im Bau und soll in diesem Jahr ans Netz. In Teheran gibt es seit 1968 einen Forschungsreaktor – ein Geschenk aus Washington, das ursprünglich für Brennelemente mit einem waffenfähigen(!) Uran-Anreicherungsgrad von über 90 Prozent ausgelegt war. Als der Uran-Transfer aus den USA nach der Islamischen Revolution ausblieb, wurde der Reaktor umgerüstet und arbeitet seit den neunziger Jahren mit auf 20 Prozent angereichertem Uran. Das Brennmaterial (etwa 115 Kilogramm) kam 1993 aus Argentinien, geht aber 2011 zur Neige.
Herzstück all dessen sind die Einrichtungen zur Uran-Anreicherung in Natanz, Arak und nahe der Heiligen Stadt Qom. Die Existenz der dortigen Anlage hat Iran erst 2009 – kurz vor Beginn der ersten Sechser-Gespräche – offenbart. Sie steht wegen ihrer relativ geringen Kapazität von 3.000 Zentrifugen unter Verdacht, allein für den Prozess der Hochanreicherung – sprich: militärische Zwecke – gebaut zu sein. Natanz dagegen hat laut IAEO Kapazität für 50.000 Gaszentrifugen, was eine primär wirtschaftliche Nutzung nahe legt. Aber auch die Existenz dieser und der Anlage in Arak, bei der waffenfähiges Plutonium anfällt, wurden der Wiener Atombehörde bis 2002 verheimlicht. Wasser auf die Mühlen all derer, die Teheran nicht über den Weg trauen.
Obama brüskiert
Politisch gibt es in Iran einen breiten Konsens, der atomare Ansprüche als Zeichen eines auf Unabhängigkeit gerichteten, nationalen Selbstbewusstseins deutet, doch bleiben Verhandlungen von innenpolitischen Konflikten nicht unberührt. Und die folgen beileibe nicht immer gängigen Klischees, wonach Reformer auf Ausgleich mit dem Westen und Hardliner auf Konfrontation bedacht sind. Es war eine nach der umstrittenen Wiederwahl fragile Regierung Ahmadinedjad, die im Oktober 2009 einen von der IAEO vermittelten Durchbruch bei der Atom-Diplomatie bekannt gab: Man sei bereit, gering angereichertes Uran nach Frankreich und Russland zu bringen, um im Gegenzug höher angereichertes Uran aus diesen Ländern zu beziehen.
Freilich wurde der „Deal“ in Iran fast unisono als Manöver des Präsidenten gegeißelt, eigene Macht mit einem „Ausverkauf nationaler Interessen“ zu stützen. Als der Druck zu stark wurde, kündigte Ahmadinedjad das Arrangement auf und brüskierte damit vor allem Washington. Barack Obama hatte noch im März 2009 eine Politik der ausgestreckten Hand verkündet, kehrte aber nun zur harten Gangart zurück und plädierte für schärfere Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat schließlich im Juni 2010 mehrheitlich verabschiedete. Dass Iran kurz zuvor im Mai ein Arrangement mit Brasilien und der Türkei bekannt gab, das an den mögliche Durchbruch vom Oktober 2009 erinnerte, spielte keine Rolle mehr. Alles war zu offensichtlich darauf angelegt, die Sanktionen im letzten Moment zu verhindern.
Gleichwohl steht jetzt in Istanbul das gleiche Paket zur Debatte. Wenn der Westen wollte, könnte er auf einen Verhandlungspartner bauen, dem es an Verständigungswillen nicht fehlt. Ahmadinedjad hat sich innenpolitisch gefangen und zu Jahresbeginn eine Rosskur in Gang gesetzt, die Subventionen für Energie und Lebensmittel abbaut, aber durch gezielte Hilfen für seine Wähler im ländlichen Unterbau kompensiert. Per Preisdruck soll weniger Öl verschwendet, dafür mehr exportiert werden. Dieses Kalkül geht nur auf, wenn die Sanktionen gelockert werden. Sie treffen mit den zum mächtigsten Wirtschaftsfaktor aufgestiegenen Revolutionsgarden die Machtreserve eines Präsidenten, der den Regierungsapparat mit Getreuen dieses Kalibers besetzt hat. Ein abenteuerlicher Nepotismus, der über kurz oder lang scheitern wird. Die Atom-Diplomatie des Westens sollte sich davon nicht beeindrucken lassen. Wenn Ahmadinedjad zu einem Abkommen bereit und fähig ist, muss Staatskunst die Gunst der Stunde nutzen.
Torsten Wöhlert ist Iran-Wissenschaftler und lebt in Berlin
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