Man sieht den Mob, ein Mann guckt durch die zerschlagene Fensterscheibe eines Plattenbaus. Busse bringen Gastarbeiter aus Hoyerswerda weg. Bilder von Menschen auf der Flucht.
Es ist nun 20 Jahre her, dass in der sächsischen Stadt tagelang rassistische Ausschreitungen wüteten. Unter dem Beifall von Anwohnern hatten damals Neonazis die Unterkünfte von Ausländern so lange angegriffen, bis die Migranten schließlich evakuiert werden mussten. Dieser Tage erinnert eine Ausstellung an den Pogrom, am Wochenende gab es eine kleine Demonstration.
Hoyerswerda ist das Synonym für rassistische Ausschreitungen, im Wikipedia-Eintrag heißt es, „von der über 700-Jährigen Geschichte“ sei überregional kaum anderes bekannt. Wer die Kommune in der Ober
mmune in der Oberlausitz besucht, findet sich in der Stadt mit der schnellsten Alterung und dem höchsten Einwohnerschwund in Deutschland wieder. Rund die Hälfte der Bewohner ist in den letzten 20 Jahre weggezogen, man übertreibt nicht, wenn man die Grundstimmung als depressiv beschreibt. Der Braunkohleabbau ist weitestgehend eingestellt und die Globalisierung, die anderen Regionen nützte, sei über die Stadt „hinweggehüpft“, wie es der Oxforder Athropologe Alex Ringer einmal genannt hat. Es gibt eigentlich nur eine positive Nachricht: Hoyerswerda ist erfolgreicher Trendsetter beim Rückbau der Stadt.Das Image der rassistischen Randale von 1991 aber bleibt kleben. Der Oberbürgermeister von Hoyerswerda, Stefan Skora von der CDU, wurde dieser Tage nicht Müde zu betonen, dass sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwas geändert hat. Projekte gegen Rechts seien ins Leben gerufen worden, auch Kirchen und Vereine hätten zu einer Veränderung in der Stadt beigetragen.Vertraute AnfeindungenDoch davon haben die ehemaligen Vertragsarbeiter, die vor einer Woche jene Stadt besuchten, aus der sie vertrieben worden waren, nicht viel mitbekommen. Nahe des früheren Wohnheims habe man sie mit den altvertrauten Anfeindungen empfangen, lautete ihr ernüchterndes Fazit: „Es ist wie vor 20 Jahren.“ Vom Bürgermeister gab es als Geschenk eine DVD – Titel: „Lust auf Hoyerswerda“.Warum sich die nicht leicht einstellt, zeigte sich auch bei der kleinen Demonstration am Wochenende. Eine Initiative, die sich für ein Denkmal in der Stadt stark macht, hatte aufgerufen, an das Fanal von 1991 zu erinnern – doch aus der Hoyerswerda selbst wollte sich dem kaum jemand anschließen. Und so zogen überwiegend angereiste junge Menschen aus dem Antifa-Spektrum unter den skeptischen Blicken der Bewohner vom Bahnhof bis zum ehemaligen Wohnheim der Vertragsarbeiter. Wo sie von etwa 20 Neonazismit Parolen begrüßt wurden: „Wir kriegen euch alle.“ Die örtliche Polizei berichtete später von einem „störungsfreien Verlauf“. Der Sprecher der Initiative „Pogrom 91“, Mathias Buchner, sieht das völlig anders. Die Polizei habe die Rechtsradikalen nicht einmal davon abgehalten, eine Gedenkminute für die Opfer der Ausschreitungen mit Hitlergrüßen und lauten Rufen zu stören.Hoyerswerda ist dabei kein Einzelfall. Für viele alternative Jugendliche in der ostdeutschen Provinz, wo eine rechte Subkultur ihren terror entfaltet und eine schweigende Mehrheit das billigend in Kauf nimmt, gehört das zum Alltag. Wer solche Verhältnisse thematisiert, gilt leicht als „Netzbeschmutzer“. Und offenbar kann auch kein zivilgesellschaftliches Projekt gegen Rechts und für mehr Demokratie verhindern, dass unter jenen, die in den verarmten Einöden zurückbleiben, der völkisch-nationale Ungeist blüht. Was dabei auch im Rückblick mitunter aus dem Fokus gerät: Die rassistischen Ausschreitungen und Anschläge zu Beginn der neunziger Jahre, die mit den Namen Hoyerswerde, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen verbunden sind, fanden vor dem Hintergrund von Wahlkämpfen statt, bei denen das Reizwort Asyl und eine „Das Boot ist voll“-Rhetorik ganz oben auf der Themenliste standen.Im Februar 1992 sprachen sich in einer Umfrage 74 Prozent der Befragten für eine Grundgesetzänderung aus, mit der die Zahl der Asylsuchenden verringert werden sollte. Und so geschah es dann ja auch noch im selben Jahr: Seit mit der Verfassungsänderung und ihrer Drittstaatenregelung die Möglichkeiten für Flüchtlinge stark eingeschränkt wurden, nach Deutschland zu gelangen, ist ihre Zahl drastisch zurückgegangen.Heute spricht zwar kaum noch jemand von „Asylmissbrauch“, in der öffentlichen Debatte hat der Diskurs von der maßvollen Zuwanderung der Nützlichen durchgesetzt – eine alternde und schrumpfende Gesellschaft braucht neue Fachkräfte. Und weil das so ist, mahnt der sächsische Ausländerbeauftragte Martin Gillo, der Freistaat müsse eine „Willkommensgesellschaft“ werden. 20 Jahre danach ist man in Hoyerswerda noch immer weit davon entfernt.