Bankenkrise war gestern. Längst geht es der deutschen Industrie an den Kragen. Frank Gerlach, ein Vordenker der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, spricht von „einer dramatischen Krise“ des Exportweltmeisters und meint inzwischen sogar, „die Eckpfeiler geraten ins Wanken“. Hat die deutsche Politik geschlafen, während in China und Frankreich Industriepolitiker neue Akzente setzten? Droht Deutschland gar auf den britischen Pfad der Deindustrialisierung zu geraten?
Beispiel Schiffbau: In der Branche beklagt die IG Metall „ausbleibende Aufträge, Auftragsstornierungen und unzureichende Finanzierungsmöglichkeiten für bestehende und zukünftige Aufträge“. In Werften bleiben fertiggestellte Schiffe liegen, weil Kunden nicht bezahlen. Mehr als 20 bereits im Bau befindliche Schiffe stehen angeblich in deutschen Werften ohne Finanzierung da. Zeit- und Kontraktarbeiter werden entlassen, Kernbelegschaften sind von Kündigungen bedroht. Die Zahl der Firmeninsolvenzen nimmt zu.
Überkapazitäten gefährden Existenz
Ähnliche Meldungen kommen auch aus anderen Schlüsselindustrien. Autobranche und Maschinenbausektor, Luftfahrt und Schiffbau – die exportorientierten Hochtechnologiebranchen sind allerdings nicht allein wegen der durch die Krise weltweit zusammengebrochenen Nachfrage in ihrer Existenz gefährdet. Sondern vor allem langfristig durch Überkapazitäten sowie durch billige, staatlich geförderte Dumpingkonkurrenz aus China, Südkorea und anderen asiatischen Ländern.
Was tun? Ein Vorschlag lässt aufhorchen, den die IG Metall ganz konkret für die Werftenbranche vorgelegt hat. In einem Acht-Punkte-Katalog fordert die Arbeitnehmerorganisation eine staatliche Treuhandlösung für solche Schiffe, die der ursprüngliche Auftraggeber nicht abnimmt. Eine solche „Bad Boat Bank“ könne diese „realen Werte“ wieder verkaufen, wenn die Konjunktur irgendwann wieder anzieht. „Wenn für faule Kredite Bad Banks gegründet werden“, heißt es bei der IG Metall, gebe es doch „keinen Grund, eine Auffanglösung für nicht abgenommene Schiffe zu verweigern“. Auf Unternehmerseite wird über ähnliche Ideen nachgedacht.
Welche Produkte haben überhaupt Zukunft?
Solche Treuhandlösungen nach Art einer Bad Bank für Autokonzerne oder Werften, wie sie von Gewerkschaften und der Linkspartei gefordert werden, können jedoch bestenfalls erste Hilfe leisten. Denn die strukturellen Probleme sind damit noch nicht gelöst. „Schiffbau hat Zukunft, aber nicht auf dem Kapazitätsniveau, das wir heute haben“, hat der Vorstand der Thyssen Krupp Marine, Herbert Aly, unlängst auf einer Tagung von Betriebsräten aus der Schiffbaubranche gewarnt. Sein Rat: Wirtschaft und Politik sollten erst einmal diskutieren, welche Unternehmen und welche Produkte eine nachhaltig Überlebenschancen haben – und erst dann handeln.
So wie Aly dürften auch andere Industrielle, die sich gegen beliebige Rettungssubventionen wenden, zunächst ihre eigenen Firmeninteressen im Blick haben. Schließlich ist der Gerettete von heute möglicherweise der Konkurrent von morgen. Und doch haben sie in einem weiteren Sinne Recht: Es nützt der Volkswirtschaft eben nicht, wenn die Bundesregierung wie im Fall Opel oder bei Banken Unternehmen mit Überkapazitätsproblemen rettet und damit indirekt andernorts Kapazitäten vernichtet. Der Staat setzt den Kapitalismus nicht einfach außer Kraft.
Schlagwort: Industriepolitik
Der Schiffbau kann als Beispiel für andere Hochtechnologie-Branchen gelten: Überleben werden angesichts gewaltiger Überkapazitäten, die im Boom aufgebaut wurden, nicht alle Unternehmen – hierzulande und weltweit. Wollen Deutschland und die Europäische Union einen Kapitalismus ohne größere Industrie wie in Großbritannien verhindern, ist der Staat herausgefordert.
Die Diskussion findet im Schlagwort von der zukunftsweisenden Industriepolitik seinen Niederschlag. Politiker sprechen es gern aus, und in Positionspapieren findet man es auch immer wieder. Doch wie soll diese aussehen?
Mit einer Bad-Bank-Lösung für die Industrie könnte zunächst Zeit gewonnen werden für eine mittelfristige Umorientierung. Der IG Metall, die diese Idee für die Schiffsbranche konkretisiert hat, geht es dabei vor allem um Öko. Es geht um strategische Anreize, die Reeder dazu bewegen, umweltfreundliche und energieeffiziente Schiffe in Auftrag zu geben – etwa durch ein Förderprogramm zum Abwracken oder zur Umrüstung alter und umweltschädlicher Schiffe. Zudem könnten hohe Umweltnormen den europäischen Spitzenwerften gegen die Dumpingkonkurrenz aus Asien einen Kostenvorteil verschaffen, so hofft man. Eine deutsche Fähre verbraucht immerhin ein Drittel weniger Treibstoff als eine in China gebaute.
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