Elisabeth-Maria Schaeffler und ihr Sohn Georg F. W. gehören zu den glücklichen 55 Personen in Deutschland, die sich laut Forbes-Liste Milliardäre nennen dürfen. Damit dies auch künftig so bleibt, muss nun der Steuerzahler einspringen und den Schaefflers finanziell unter die Arme greifen. Tut er dies nicht, droht der Schaeffler-Gruppe nach Darstellung der IG-Metall in absehbarer Zeit die Insolvenz.
Die Schaefflers haben zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt am großen Rad gedreht und sind dabei selbst unter die Räder gekommen. Nur noch die große Politik kann mit Hilfe von Steuergeldern den Einfluss der Familie Schaeffler im eigenen Unternehmen sichern. Einst galt die Schaeffler-Gruppe als Musterbeispiel für die Deutschland AG. Gegründet 1946, gewachsen mit dem Wirtschaftswunder, mittelständisch, inhabergeführt, Weltmarktführer.
Know-How aus „arisiertem“ Unternehmen
Der sagenhafte Aufstieg der Gruppe begann allerdings nicht bei Null. Wie so viele andere Unternehmer auch, konnten die Unternehmensgründer Wilhelm und Georg Schaeffler auf einem Grundstock aufbauen, der aus dem Dritten Reich stammt. Maschinen und Know-How der Schaeffler-Gruppe stammen aus einem „arisierten“ Unternehmen, das Wilhelm Schaeffler 1939 kaufte. Wilhelm Schaeffler starb 1981, sein Bruder Georg 1996. Zu diesem Zeitpunkt war die Schaeffler-Gruppe bereits ein unsichtbarer Riese, eines der größten Familienunternehmen in Europa. Nach dem Tode Georg Schaefflers wurde die Unternehmensgruppe von seiner Witwe Maria-Elisabeth geführt. Zu ihrem Netzwerk gehören Unternehmerpersönlichkeiten wie VW-Miteigentümer Ferdinand Piëch, Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer und Bayerns Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein.
Im letzten Jahr änderte sich die Firmengeschichte der Schaeffler-Gruppe grundlegend. Aus dem Familienbetrieb sollte ein Global-Player werden. Um dies zu verwirklichen, wollte Maria-Elisabeth Schaeffler den dreimal so großen Dax-Konzern Continental AG übernehmen – der Plan erhielt von der Opernfreundin Maria-Elisabeth den Namen „Operation Mozart“. Um die Aktienmehrheit zu übernehmen, machten die Schaefflers im Juli 2008 den Conti-Aktionären ein Übernahmeangebot von 75 Euro je Aktie. Im Verlauf des Börsenbebens im Sommer des Jahres gingen viele Aktionäre auf dieses Angebot ein. Wollte Schaeffler eigentlich nur knapp 50 Prozent der Conti-Aktien in seinen Besitz bringen, saß die Gruppe Ende September auf 90 Prozent der Conti-Aktien. Diese Übernahmeschlacht hat die Schaefflers rund 11 Milliarden Euro gekostet – finanziert von einem Bankenkonsortium, mit der Commerzbank an der Spitze. Heute notiert die Conti-Aktie bei unter 15 Euro. Die Schaeffler-Gruppe und Continental haben zusammen einen Firmenwert von rund 4,5 Milliarden Euro. Dem stehen stolze 22 Milliarden Euro Verbindlichkeiten gegenüber. So etwas könnte man beschönigend „negatives Eigenkapital“ nennen.
Übernahme auf Mega-Pump
Wie bei so vielen Überfliegern, deren Flügel nur mit Wachs befestigt sind, fand der Höhenflug der Schaefflers ein jähes Ende. Wenn man Maria-Elisabeth Schaeffler über ihren Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden reden hört, könnte man glauben, sie sei nur ein Opfer von Umständen, die sie nicht vorhersehen konnte. Im Frühsommer 2008 allerdings war die Krise auf dem Automobilsektor bereits abzusehen. Für den deutschen Markt sah der Branchenverband VDA „große Wolken am Horizont“ aufziehen.
In einem solchen Marktumfeld eine Übernahme auf Pump vorzunehmen, bei der alleine für die Zinsen jeden Monat 70 Millionen Euro anfallen, zeugt nicht eben von einem vorbildlichen Risikomanagement. Bei der Schaeffler-Gruppe liegt kein kurzfristiger Liquiditätsengpass vor, wie es das Unternehmen der Öffentlichkeit weismachen will, sondern eine finanzielle Schieflage. Neue Kredite, für die der Staat bürgt, würden diese Schieflage nicht beseitigen, sondern sogar noch verschärfen. Analysten zufolge brauchen die Franken vier bis fünf Milliarden Euro. Strategie der Schaefflers ist es, einen liquiden Eigenkapitalgeber als Gesellschafter zu gewinnen. Bislang lehnten allerdings alle potenten Investoren ab.
Was also ist die Alternative für den Staat? Schaeffler in Insolvenz gehen zu lassen und damit alleine in Deutschland 80.000 Jobs zu riskieren? Insolvenz hieße im Falle Schaeffler nicht, dass das Unternehmen die Werkstore schließen müsste. Wenn die Gruppe die Zinsen nicht mehr bedienen kann, was Analysten zufolge Mitte des Jahres eintreten dürfte, gehen die Unternehmensanteile der Familie Schaeffler an die Banken. Dann wird nämlich ein sogenannter Debt-Equity-Swap fällig: Die Banken erlassen Schulden und bekommen dafür das Unternehmen übereignet.
Dabei ist die größte Gläubigerbank die Commerzbank, die bereits zu einem Teil dem Steuerzahler gehört. Da das Unternehmen im Kern gesund ist, wird sich dann schon ein Weg finden, die Arbeitsplätze zu sichern – nur ohne Familie Schaeffler. Der Staat kann über seine Beteiligung bei der Commerzbank eine Restrukturierung der Schaeffler-Gruppe vornehmen, bei der die Arbeitsplätze erhalten werden. Milliardenkredite an Schaeffler würden nicht etwa die Arbeitsplätze sichern, sondern lediglich die Besitztümer einer Milliardärsfamilie.
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