„Die weltweite Versorgung mit und die Nachfrage nach Lebensmitteln wird vielleicht der wichtigste Faktor für den Preisanstieg von Ackerland in den nächsten fünf bis zehn Jahren sein“, sagt Shonda Warner aus Clarksdale im US-Bundesstaat Missisippi. Sie trägt keine Anzüge, sondern Stiefel und Jeans. Früher hat sie für Goldman Sachs Derivate gehandelt, später für einen Londoner Anlage-Fonds gearbeitet. Heute spekuliert sie auf den Agrarsektor. 30 Millionen US-Dollar hat sie von kleineren Privatanlegern und Großinvestoren wie der Pensionskasse des Chemieriesen Dow Chemical eingesammelt, um damit Ackerland in den USA aufzukaufen.
Warner ist eine der ersten Finanzjongleure, die sich ausschließlich auf den Handel mit Ackerflächen spezialisiert hat. Große Finanzmarktakteure wie George Soros, die Banken Goldman Sachs, Morgan Stanley und die Deutsche Bank sind schon länger im Geschäft und haben mehrere Millionen Hektar Land, ganze Palmölplantagen, Schweine- und Geflügelfabriken und Weizenfelder aufgekauft: In der Ukraine, in China, Kasachstan, im Sudan, in Uganda, Tansania, Kongo, Kenia, Mali, Brasilien, Indonesien, ja sogar in Äthiopien, das als eines der ärmsten Länder der Welt gilt und von Nahrungsmittelhilfe abhängig ist.
„Verkauft Banken, kauft Käse!“
Anfang 2008 erreichten die Preise für Grundnahrungsmittel historische Höchststände. Staatliche Investoren wie die Regierungen der Golfstaaten oder Chinas kauften oder pachteten als Reaktion darauf Millionen Hektar Land in Afrika. Damit wollen sie auf Kosten anderer Nationen künftig die Ernährung ihrer Bevölkerung sichern. Den Banken, privaten Investoren, Versicherungen und Pensionskassen geht es ausschließlich um die Rendite, und seit die Finanzblase Ende des vergangenen Jahres geplatzt ist, hat ein regelrechter Boom eingesetzt. „Sell banks – buy cheese“ – „Verkauft Banken, kauft Käse“, so die Devise eines Wall-Street-Brokers.
Das Kalkül ist zynisch: Wachsende Weltbevölkerung, Klimawandel, Urbanisierung sowie eine steigende Nachfrage nach Futtermittel und Agrarsprit werden unweigerlich zu steigenden Preisen für Ackerflächen und damit zu satten Gewinnen führen. Je mehr Hunger auf der Welt, um so größer die Gewinne, lautet die makabere Formel. Schwache Staaten, die im Falle einer Hungersnot auch weiterhin den Export von Agrarprodukten erlauben, sind willkommene Investitionsstandorte. „Wenn Nahrung knapp wird, dann braucht der Investor einen schwachen Staat, der ihm keine Regeln aufzwingt“, meint Philippe Heilberg, Gründer der Investmentfirma Jarch Capital aus den USA. 400.000 Hektar Agrarland hat er im Südsudan gepachtet – vom Warlord Paulino Matip, dessen Truppen Amnesty international vorwirft, an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Matip sitzt selbst im Verwaltungsbeirat der Investmentfirma, genauso der ehemalige US-Botschafter im Sudan und zwei ehemalige CIA-Agenten.
Viele Staaten, in denen die Investoren Land aufkaufen, liegen in Asien und Afrika. Viele haben während der Wirtschaftskrise ihre Finanzreserven aufgebraucht. Die Regierungen brauchen Geld und verkaufen ihr Ackerland zu Schleuderpreisen – oft ohne die Kleinbauern zu informieren, die dort ihre ein bis zwei Hektar bewirtschaften. Das Schicksal dieser Kleinbauern heißt Vertreibung, denn ihre oftmals traditionelle Anbauweise, die zunächst der Ernährung der eigenen Familie dient, passt nicht ins Geschäftsmodell der Investoren, die auf großflächige, industriell bewirtschaftete Monokulturen setzen und Feldfrüchte anbauen wollen, mit denen sie auf dem Weltmarkt Profit erzielen können – vor allem Weizen, Mais, Soja, Reis und Ölpflanzen, aus denen sich Agrarsprit gewinnen lässt.
Die Fondsmanagerin Shonda Warnerf, die ausschließlich in den USA Land aufkauft, sieht sich als Wohltäterin. „Für mich ist es der Anfang einer neuen Partnerschaft zwischen Geldanlegern und Landwirten“, schwärmt sie, „wenn sie Gewinne machen gewinnen auch wir“. Sie sei eine Mittlerin: „Wir schaffen eine Anlagemöglichkeit für Pensionskassen, Finanzstiftungen und andere Leute in den USA und öffnen diese doch sehr verschlossene Gemeinschaft der Landwirte“.
Die Weltbank fördert dieses Geschäftsmodell überall auf der Welt. Sie setzt auf eine Stärkung der Exportmärkte und sieht darin Potential für den Kampf gegen die Armut in den sogenannten Entwicklungsländern: Mit Kunstdünger und kommerziellem Saatgut erhielten die Empfängerländer Technologien, die die Erträge ihrer Ackerflächen steigern würden, außerdem würden neue Arbeitsplätze geschaffen.
13 Prozent Rendite und mehr
Kritiker – darunter zahlreiche Kleinbauernverbände – sprechen hingegen von Neokolonialismus und Landraub, ganz zu schweigen von den verheerenden Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft auf die Umwelt. Es geht um das Überleben von Millionen von Kleinbauern, deren einzige Existenzgrundlage ihr kleines Stück Land ist.
Nach vorsichtigen Schätzungen des Internationalen Forschungsinstituts für Ernährungspolitik in Washington sind seit 2006 bis zu 20 Millionen Hektar Land allein in Entwicklungsländern von ausländischen Investoren gekauft oder gepachtet worden. Hinzu kommt der Handel mit Land in den Industrie- und Schwellenländern. Mit im Geschäft ist auch der Hamburger Fonds Aquila Capital, der australische Rinderfarmen und brasilianische Zuckerrohrplantagen aufkauft. Ein lukrative Anlage: Innerhalb eines halben Jahres stiegen die Preise für brasilianisches Ackerland um 20 Prozent. Ab 2016 will Aquila Capital die Flächen mit Gewinn weiterverkaufen: Den Anlegern winkt eine Rendite von mehr als 13 Prozent. Mit Aktien sind solche Margen kaum noch zu erzielen.
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