In der Warteschleife

Grundeinkommen Fast 53.000 Menschen haben die Online-Petition von Susanne Wiest für ein bedingungsloses Grundeinkommen unterzeichnet. Jetzt steht eine lange parlamentarische Prüfung an

Man muss nicht unbedingt zu den Befürwortern eines per Konsumsteuer finanzierten 1.500-Euro-Grundeinkommens gehören, um die Online-Petition von Susanne Wiest für eine Erfolgsgeschichte zu halten. Der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn zum Beispiel nennt die Idee der Wahl-Greifswalderin „utopisch und nicht finanzierbar“ – freute sich aber dennoch schon vor Ende der Mitzeichnungsfrist am 17. Februar über die große Zahl der Unterstützer. Die schiere Menge der Unterschriften unter die Parlamentseingabe zeige, so Strengmann-Kuhn, dass über das Grundeinkommen nun „endlich auch im Bundestag debattiert werden“ sollte. Dabei werde sich zudem zeigen, wie „eine realistische Umsetzung“ aussehen könnte.

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Die Wortmeldung des Grünen-Politikers markiert einen Knackpunkt der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen: Ein Modell, das mehr sein soll als nur eine reformierte Sozialhilfe, würde so weit gehen müssen, dass auf eine Umsetzung im Rahmen der bestehenden Verhältnisse kaum ernsthaft gehofft werden kann. Vielen Befürwortern des Grundeinkommens ist es deshalb zwar recht, wenn die Diskussion darüber – etwa durch die Petition von Susanne Wiest – vorangetrieben wird, damit die Idee irgendwann einmal „die Massen ergreift“. Darauf, dass sich der Politikbetrieb der Angelegenheit bemächtigt, sie in einen sozialpolitischen Kompromiss presst und sowohl Mehrheitsarithmetik als auch Machbarkeitsdogma unterwirft, wird verständlicherweise kein Wert gelegt: Man fürchtet, dass das Grundeinkommen als Teil eines gesellschaftlichen Transformationsprojektes dann „verbrannt“ sein könnte.

Deshalb ist es gar nicht so einfach, von einem Erfolg zu sprechen. In einem engeren Sinne trifft das auf die von Susanne Wiest angestoßene Petition allerdings durchaus zu: 52.975 Unterzeichner wurden seit Umstellung des Online-Systems beim zuständigen Bundestagsausschuss im vergangenen Oktober noch nie erreicht. Selbst dort spricht man von einem beachtlichen Ergebnis. Bleibt die Frage, wie es nun weitergeht und ob der Schub für die öffentliche Diskussion über neue Modelle einer sozialen, von Lohnarbeit unabhängigen Absicherung auch nachhaltig wirkt. Denn jetzt beginnen die parlamentarischen Mühlen zu mahlen – und das kann dauern.

Nicht mehr vor der Bundestagswahl

Zunächst werden jetzt Stellungnahmen unter anderem von Ministerien eingeholt, die den in der Petition formulierte Vorschlag inhaltlich und juristisch bewerten. Eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss könnte stattfinden, ist aber kein Muss. Später nehmen sich Berichterstatter der Eingabe an – mindestens zwei, je einer von Regierungs- und Oppositionsfraktionen. Über deren Votum wird dann im Ausschuss abgestimmt, bevor das Thema im Bundestagsplenum behandelt wird. Wann damit zu rechnen ist, dazu könne man „gar nichts sagen“, heißt es im Petitionsausschuss – aber wohl „auf keinen Fall vor der Bundestagswahl.“

Darauf, dass die Online-Petition von Susanne Wiest während der langwierigen parlamentarischen Prüfung noch einmal für so viele Schlagzeilen sorgt, wie es in den vergangenen Tagen der Fall war, sollten sich die Unterstützer nicht verlassen. Auch jene Befürworter eines Bedingungslosen Grundeinkommens, die dem von Wiest vorgeschlagenen Modell skeptisch gegenüber stehen, müssen nun wieder selbst dafür sorgen, dass das Thema in der Öffentlichkeit bleibt.

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