Wenn sich heute Kanzlerin Merkel mit dem polnischen Ministerpräsidenten Tusk trifft, wird es wieder einmal auch um die Vertriebenen-Vorsitzende Erika Steinbach gehen. Gestern schon wiederholte Marek Prawda, Botschafter in Berlin, die polnische Kritik an Steinbachs Entsendung in den Stiftungsrat des Zentrums gegen Vertreibung. Ist dieser Protest eine polnische Überspitzung, die man zwar verständlich finden, aber nicht wirklich ernst nehmen kann und deshalb durch Überzeugungsarbeit nach und nach auflösen muss? Das ist Merkels Haltung. Wenn die Lösung des Problems, so Merkel gestern, "noch einige Tage Zeit braucht, dann nehme ich mir die Zeit", zwei Tage "oder fünf oder zehn", man soll ihr nicht nachsagen können, dass sie keine Geduld habe.
Die polnische Seite empfindet die Personalie Steinbach als Provokation gegen den Geist der Versöhnung, der von dem geplanten Zentrum ausgehen soll. Nicht nur, weil Steinbach im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestimmt hat. Sondern hauptsächlich deshalb, weil sie gar keine Nachfahrin von Vertriebenen ist, vielmehr die Tochter eines Besatzungsoffiziers. Ihr Vater war Feldwebel der Luftwaffe und wurde in dieser Funktion 1941 nach Danzig-Westpreußen beordert. Die Familie folgte 1943 und flüchtete 1945. In der Zwischenzeit wurde Erika Steinbach geboren. Eine solche Person wird heute als Versöhnungssymbol präsentiert. Steinbach gehört aber nicht zu denen, die Politiker wurden, um die Vergangenheit ihrer Familie aufzuarbeiten. Vielmehr hat sie ihre Herkunft so lange verschwiegen, bis es anderweitig herauskam.
Und wenn man dann noch hört, wie sie sich verteidigt: Um sich für Wale einzusetzen, müsse man kein Wal sein, erklärt sie. Nein, aber wer Käpt'n Ahab nachfolgt, der Moby Dick gejagt hat, ist vielleicht gar keine Freundin der Wale. Und jetzt sind wir schon im Begriff, die Metapher aus Gutmütigkeit falsch zu verstehen. Steinbach zitiert die Wale gar nicht deshalb, weil Tierschützer Menschen sind, die sich vom Geist der Versöhnung mit der Natur leiten lassen. Sondern weil sie die deutschen Vertriebenen für verfolgte Wale hält. Sie sagt zum Beispiel, Mittel-, Ost- und Südosteuropa sei für Deutsche nach Kriegsende über viele Jahre hinweg eine "gigantische Sklavenhalter-Region" gewesen, und in Jugoslawien habe man gar "Völkermord" an den Deutschen verübt. Diese Sätze sind erst vor einem knappen halben Jahr gefallen, auf dem Vertriebenen-Tag 2008. Sie projiziert das, was die Nazis getan haben, auf deren Opfer. Wenn das Versöhnung ist, was stellt man sich dann unter Hetze vor?
Ein früherer Kanzler tat in Warschau einen Kniefall, weil er sich für die deutsche Vergangenheit schämte. Angela Merkel zeigt lässige Geduld mit polnischen "Empfindlichkeiten". Es gibt Dinge, die man kaum kommentieren mag.
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