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Workfare Die Linken fürchten den Arbeitsdienst für Erwerbslose. Dabei ist das Modell gar nicht umsetzbar und den Eliten viel zu teuer

Letztens um die Ecke: In einem winzigen Park drängen sich 16 Leute. Sie jäten wuchernde Wildkräuter. Genauer gesagt: Vier jäten und zwölf gruppieren sich auf Bierflaschen gestützt um Parkbänke in der Nähe. Ein regulärer Gärtner „leitet“ desinteressiert die Desinteressierten an.

Das Szenario nennt sich „Workfare“ – ein Kunstwort, in dem Arbeit und Wohlfahrt vereinigt sind. Was Workfare bedeutet, wird im US-Bundesstaat Wisconsin so auf den Punkt gebracht: „No work, no pay!“ Franz Müntefering hat das 2006 als Bundesarbeitsminister so übersetzt: „Nur wer arbeitet, soll auch essen!“ Dabei hat der SPD-Mann auch nur Stammvater August Bebel zitiert. „Der Sozialismus stimmt mit der Bibel darin überein, wenn diese sagt: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“

Ähnlich sprachen schon der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch, der CDU-Wirtschaftsminister Michael Glos und andere. Arbeitslosengeld? Ab sofort nur gegen Bürgerarbeit! Und immer schrien die Linken auf: „Der Arbeitsdienst kehrt zurück!“ So unlängst auch Rudolf Stumberger in seinem Beitrag im Freitag (36/2009).

Nun: Die Regel „No work, no pay!“ regiert den Alltag der Mehrheitsbevölkerung des globalen Südens. Wer keine Arbeit hat, bekommt keinen Lohn, stirbt früher, verhungert gar. Workfare, das hätten sie dort vielleicht gern.

Fordern und nicht fordern

Wem dagegen hierzulande die Stellenlosigkeit widerfährt, der wird auch gefordert. Das heißt dann in der Regel, sich auf „Integrationsmaßnahmen“ einzulassen, meist in Gestalt sechsmonatiger „Arbeitsgelegenheiten“. Diese treffen aber längst nicht alle: Etwa die Hälfte der Mitte dieses Jahres knapp sechs Millionen Bezieher von Arbeitslosengeld I und II entgeht dem Fordern. Es handelt sich um Erziehende, Vorruheständler, Aufstocker. Und auch auf die andere Hälfte warteten zum Zeitpunkt, als diese Zahlen erhoben wurden, gerade einmal 326.000 Arbeitsgelegenheiten. Schon die „freiwillige“ Nachfrage übersteigt das Angebot.

Ein mit Null Toleranz durchgesetztes Workfare-Modell hieße in der Bundesrepublik: Der Staat müsste rund 4,8 Millionen Stellen allein für die Hartz-IV-Bezieher vorhalten. Tendenz steigend. Und selbst wenn man einmal annimmt, er würde „nur“ drei Millionen Arbeitsgelegenheiten bereitstellen: Wer soll die bezahlen? Wer soll die Millionen Workfare-Erwerbslosen dann ausbilden, einweisen, ausrüsten und verwalten? Und was käme dabei raus? Auch wenn ein Dauerweltrekord im Kastanienblätterzusammenfegen aufgestellt würde: Die Blätterhaufen haben keinen Buch-Wert, außer Spesen wäre für den Staat nichts gewesen.

Workfare ist viel zu teuer

Workfare ist teuer, viel zu teuer: Eine Arbeitsgelegenheit in der Bundesrepublik kostet etwa 500 Euro im Monat, zusätzlich zur Grundsicherung. Damit 180 Euro als Mehraufwandsentschädigung in den Taschen der „Ein-Euro-Jobber“ landen, müssen noch einmal 320 Euro aufgewendet werden, um die „gemeinnützigen“ Träger zu bezahlen – für Dozent, Material, Verwaltung. Schon jetzt werden allein die Kosten der „Integrationsleistungen“ die gigantische Summe von 6,6 Milliarden Euro erreichen. Zum Vergleich: Für Bildung und Forschung, die doch die Zukunft des „Standorts Deutschlands“ sichern sollen, warten im Bundesetat gerade einmal 10,2 Milliarden Euro.

Lange schon zeichnet sich deshalb eine Flucht aus Workfare ab. Zum Beipsiel in Großbritannien. Dort haben die Tories Anfang 2008 gefordert, dass alle Sozialhilfebezieher „Gemeindearbeit“ leisten sollen! Stadtparks säubern, Abfall sammeln, Graffiti entfernen - das Übliche eben. Auch die 2,6 Millionen „Arbeitsunfähigen“ sollten dabei auf den sozialpolitischen Prüfstand kommen. Die Labour-Regierung jedoch, bislang gegenüber dem Modell Workfare freundlich eingestellt, winkte ab: Zu teuer! Allein die Überprüfung der „Arbeitsunfähigen“ für eine etwaige Wiedereingliederung hätte 1,1 Milliarden Pfund gekostet. Später hätte die Gemeindearbeit mit weiteren Belastungen zu Buche geschlagen.

Brot und Spiele statt Eingliederung

Warum kostenträchtige Leute mobilisieren, wenn sie danach noch mehr kosten? Die Zukunft sieht nicht viel heller aus. Wo Workfare war, wird Aufbewahrung sein! Es sind einfach zu viele auf dieser Welt, die nicht mehr „gebraucht“ werden. Künftig soll eine Mischung aus betäubender Unterhaltung und ausreichender Ernährung genügen, – vielleicht noch angereichert mit etwas „Sinnstiftung“ bei Bedarf, etwa im Rahmen von Freiwilligenarbeit im Sportverein oder in der Nachbarschaft. Dann gibt es womöglich ein bisschen Taschengeld. Kurzum: Billige Brot-und-Spiele statt teurer Eingliederung.

Das Bürgergeld-Konzept der FDP liest sich bereits wie die Umsetzung dieser Vision: 662 Euro für Ernährung und Spektakel, aber ohne öffentlichen Beschäftigungssektor. Stattdessen sollen Agenturen „ehrenamtliches Engagement propagieren und vermitteln“. Noch billiger wäre nur ein bedingungsloses Grundeinkommen der Marke Dieter Althaus. Dann gäbe es nur netto 600 Euro – ohne Workfare.

Bleibt die Frage, warum Workfare zum Hassfetisch besonders der erwerbslosen Linken taugt? Küchenpsychologisch betrachtet könnte man auf die Idee kommen, dass hier Betroffene verdrängen, dass sie staatsbedürftig sind und ohne Jobcenter schlicht verhungern würden. Also verachten sie die öffentliche Hand, die sie nährt und vorgibt, dass man sie braucht, wenngleich nur zum „kommunalen Service“.

Wahrlich, die Wahrheit ist schwer zu ertragen. Wer kann schon verarbeiten, dass er mehr kostet als bringt? Selbst dann, wenn er Tag für Tag „normal“ zur Arbeit geht? Kostenfaktoren aller Länder vereinigt Euch!

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