Kulturkampf um Killerspiele

PC-Games Ein „Aufruf gegen Computergewalt“ geht hart mit „Killerspielen“ ins Gericht. Doch die Kölner Initiative schießt weit übers Ziel hinaus

„Sie demütigen, foltern, verstümmeln, zerstückeln, erschießen und zersägen Menschen an ihren Bildschirmen.“ So dramatisch geht es im „Kölner Aufruf gegen Computergewalt“ zu. Die Rede ist von Computernutzern, die bei „Killerspielen“ angeblich aktives Kriegstraining betreiben – weil „Komplizen, Kollaborateure und Profiteure der Killer-Industrie“ dafür sorgten. Dazu zählt der Aufruf überraschenderweise auch die Bundeszentrale für politische Bildung. Die betreibe „Verharmlosung“, indem sie nahezu ausschließlich solchen Wissenschaftlern ein Forum biete, die der Games-Industrie nahestünden und „pseudo-wissenschaftlich“ die Wirklichkeit verschleiern würden. Gefordert wird unter anderem ein Verbot von „kriegsverherrlichenden“ Computerspielen. Außerdem sollen die Parteien ihre Entscheidung widerrufen, Computerspiele als „Kulturgut“ anerkennen zu wollen.

Wissenschaftsstreit oder Meinungsschlacht?

Zahlreiche Wissenschaftler, viele davon offenbar aus dem Kreis der Friedensbewegung, haben das recht zornig gehaltene Papier unterzeichnet; vorneweg Maria Mies, eine renommierte Soziologin, Feministin und Globalisierungskritikerin, die ehemals an der Fachhochschule Köln lehrte. Neben Lokalpolitikern, Attac- und SPD-Mitgliedern findet sich auch Christian Pfeiffer unter den Unterzeichnern. Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsens ist einer der bekanntesten Protagonisten in der seit Jahren anhaltenden Kontroverse um die Wirkung gewalthaltiger Computerspiele. Er meint zwar, dass man von Monokausalität nicht sprechen könne, aber die Risiken für jugendliche Spieler von „Killerspielen“ steige in Sachen Gewaltbereitschaft, schlechten Schulleistungen sowie Spielabhängigkeit klar an. „Man hätte im Aufruf ordentlicher differenzieren können zwischen den verschiedenen Computerspielen“, sagt Pfeiffer, es gebe „durchaus nützliche Spiele“. Auch hätte Pfeiffer gern die Mitverantwortung der Eltern an der „Medienverwahrlosung“ stärker betont gesehen. Von einem Wissenschaftsstreit will der Forscher nicht sprechen: „Was viele Medienpädagogen machen, würde ich nicht Wissenschaft nennen; die Thesen dieser Kollegen beruhen nicht auf solide durchgeführter empirischer Forschung, sondern stellen sich als schlichte Meinungen dar.“

Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), der Dachverband der Medienpädagogen in Deutschland, sieht das in ihrer Replik selbstverständlich anders. Durchaus gebe es einen Wissenschaftsstreit, keineswegs sei, wie es im Aufruf heißt, der sich auf „3.500 Studien“ stützt, eindeutig bewiesen, dass Bildschirmspiele bei Kindern und Jugendlichen aggressives und gewalttätiges Verhalten auslösen. Zudem zeigt man sich in der Entgegnung auf den Aufruf erschrocken über die „Diffamierung von Andersdenkenden“, eine „angemessene, seriöse und redliche Argumentationsweise“ werde verfehlt und ein komplexes Thema auf „einfachste Erklärungsmuster und Handlungsstrategien“ verkürzt. Dem Genre Computerspiel pauschal abzusprechen, ein „Kulturgut“ zu sein, spreche für eine „historische und kulturelle Kenntnislosigkeit.“

Zusammenhang zwischen Gewaltkonsum und Aggressionsbereitschaft

Arne Busse, Mitarbeiter der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), beschäftigt sich im Referat für „poltikferne Zielgruppen“ auch mit Computerspielen. „Die BpB veröffentlicht keineswegs, wie in dem Aufruf behauptet wird, medienpädagogische Beiträge, die offen für Gewaltspiele werben“, meint Busse und verweist beispielsweise auf die Arbeiten der Psychologin Ingrid Möller, die in einem Beitrag für die BpB schreibt: „Klar ist, dass ein Zusammenhang zwischen Gewaltmedienkonsum und der Aggressionsbereitschaft der Nutzer besteht.“ Insofern weist Busse die Vorwürfe des Kölner Aufrufs zurück, der der dem Bundesinnenministerium zugehörigen Behörde „Desinformation“ unterstellt.

Abgesehen von diversen Foren und Blogs von Computerspielern sowie bei Medienpädagogen scheint der Kölner Aufruf bislang nicht auf große Resonanz gestoßen zu sein. Das mag daran liegen, dass er zeitlich ungünstig kurz vor den Weihnachtsfeiertagen veröffentlicht wurde. Inhaltliche Fehler dürften eine weitere Rolle spielen, die den Verdacht nähren, dass die Verfasser sich wenig mit dem Medium auseinandergesetzt haben und – so sind etwa „Killerspiele“, also 3D-Egoshooter, nicht wie im Aufruf behauptet eine Erfindung der US-Armee, sondern ein Spielgenre, dass Anfang der neunziger Jahre maßgeblich von der Firma id-Software geprägt wurde. Letztlich lässt sich das Papier angesichts seiner Unsachlichkeit und polemische Sprache kaum ernst nehmen. Dem durchaus diskussionswürdigem Aspekt, nämlich der Rolle von Medien in der Vorbereitung einer Gesellschaft auf Kriegsführung, wird so ein Bärendienst erwiesen.

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