Licht aus im Leuchtturm

Qimonda-Pleite Nach der Pleite der Infineon-Tochter Qimonda fürchtet man in Sachsen einen Domino-Effekt. Im ostdeutschen Silicon Valley geht jetzt die Angst um

Der Kampfgeist ist spät erwacht. Zwei Wochen nach der Pleite gehen die Dresdner Chiparbeiter an diesem Dienstag erstmals auf die Straße. Als der Halbleiterhersteller Qimonda vor zwei Wochen Insolvenz anmeldete, hingen am Dresdner Werkstor noch keine Transparente. Viele der 3.200 Mitarbeiter am sächsischen Standort wirkten nicht wütend, sondern resigniert. Die harte Landung hatte sich schließlich seit Monaten abgezeichnet. Es war kein Geheimnis, dass die Verluste aus dem Geschäft mit den Speicherchips zuletzt höher waren als die Umsätze. Aufbegehrt aber wurde nicht. Eine kleine Mahnwache am Fabriktor – das war es. Erst jetzt, da der Insolvenzverwalter das Ruder übernommen und eine Gnadenfrist bis Ende März verkündet hat, gehen sie auf die Straße, auf Einladung der IG Metall, von der man in den Hightech-Schmieden im Dresdner Norden jahrelang wenig wissen wollte.

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Als Austragungsort von Arbeitskämpfen schienen die Betriebe am Rand der Dresdner Heide auch nicht zu taugen. Die glatten, fahlgrauen Hallen mit ihren Reinst-Räumen galten vielmehr als Sinnbild dafür, dass der Aufschwung Ost funktionieren kann. Hier paarte sich seit den neunziger Jahren das Wissen der früheren Experten aus der DDR-Chipschmiede ZMD, wo 1988 der erste 1-Megabit-Chip hergestellt worden war, mit der Förderpolitik der CDU-Regierung von Kurt Biedenkopf, die Siemens und den US-Konzern AMD an die Elbe lockten. Die Ansiedlungen waren Teil einer "Leuchtturm"-Strategie. Die Grundidee: Große Unternehmen strahlen ins Land weit hinaus. Zu ihren Füßen gedeihen Arbeitsplätze bei mittelständischen Zulieferern wie in Hochschulen und Forschung.

Bisher schien die Praxis der schönen Theorie Recht zu geben. Rund um die drei Leuchttürme von AMD sowie den Siemens-Nachfolgern Infineon und Qimonda ist ein industrieller Kern entstanden, der sich in Anlehnung an das kalifornische Silicon Valley als "Silicon Saxony" vermarktet. Dazu gehören 1.200 Unternehmen mit mehr als 44.000 Beschäftigten. In Dresden wimmelt es von Fraunhofer- und Max-Planck-Instituten sowie vielen weiteren Forschungseinrichtungen. Die rund zwölf Milliarden Euro an Fördermitteln, mit denen die Branche aufgepäppelt wurde, schienen gut angelegt: Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums fließen in Silicon Saxony jährlich zwei Milliarden Euro an Löhnen und Gehältern, dazu eine Milliarde an Einkommensteuern und Sozialabgaben.

Fallen jetzt 5.000 Jobs weg?

Allerdings hatten die Lichter der Leuchttürme zuletzt nicht mehr in eine frohe Zukunft geleuchtet, sondern zu flackern begonnen. Der dramatische Preisverfall auf dem Markt für Speicherchips setzte den Unternehmen arg zu. AMD rettete sich durch den Einstieg arabischer Geldgeber. Infineon jedoch hatte für seine 77,5-prozentige Tochter Qimonda vergebens einen Investor gesucht. Nachdem schon zuvor die Entlassung von 950 Mitarbeitern angekündigt worden war, wurde die Lage vor Weihnachten dramatisch. Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) schnürte ein Rettungspaket für das angeschlagene Unternehmen. Auffällig war aber, dass Infineon selbst zu den 325 Millionen Euro für seine kriselnde Tochter nur 75 Millionen beisteuern wollte. Als dann ein neues 300-Millionen-Loch bekannt wurde, streckten die Helfer die Waffen. Dem Management blieb nur noch der Insolvenzantrag. Andere Hilfsmöglichkeiten sieht auch EU-Kommissar Günter Verheugen nicht mehr: "Wenn ein Unternehmen nicht mehr an einen Standort glaubt, dann sind in einer Marktwirtschaft die Würfel gefallen."

In Dresden herrscht seither ein kaum zu überhörendes Zähneklappern. Von einer möglichen Qimonda-Pleite dürften schließlich nicht nur die 3.200 direkt Beschäftigten betroffen sein, von denen viele schicke Häuser am Stadtrand gebaut haben und deren Gehälter auch anderswo in der Stadt für gute Geschäfte sorgen. Die Rede ist von einem Domino-Effekt, bei dem Zulieferer und Forschungsinstitute in den Strudel geraten könnten. Der DGB fürchtet, dass bis zu 5.000 Arbeitsplätze wegfallen. Bislang blieb das Beben aus: Bei Qimonda wird weiter produziert; der Insolvenzverwalter arbeitet an einem Konzept zur Weiterführung des Unternehmens. Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU), der vor der Landtagswahl im August kein Interesse an tiefen Schrammen im Lack des ostdeutschen Musterländles haben kann, äußert sich optimistisch, dass zumindest der "wettbewerbsfähige Teil" von Qimonda erhalten werden kann – wenigstens die Lampe aus dem Leuchtturm.

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