Der Bundestagswahlkampf beginnt mit einem Streit über Managergehälter. Am vorigen Freitag legten Franz Müntefering und Frank Walter Steinmeier für die SPD ein Papier vor, in dem unter anderem die Regelung und Begrenzung dieser Gehälter gefordert wird: Künftig soll die Höhe vom gesamten Aufsichtsrat statt von einer Untergruppe erarbeitet und beschlossen werden; sie soll sich am längerfristigen Unternehmenserfolg orientieren, daher nachträglich gesenkt werden können; alles, was über eine Million Euro hinausgeht, ist nur noch zur Hälfte steuerlich absetzbar.
Sind das radikale Ideen? Der Union gehen sie jedenfalls viel zu weit. Nicht nur widersprach sie dem Ansinnen, die Forderungen auf die Agenda des Koalitions-Spitzentreffens am morgigen Mittwoch zu setzen. Aufgeschreckt, wie sie war, hielt sie es auch für nötig, am Montag ein eigenes Papier zur Sache zu veröffentlichen. Darin werden die SPD-Forderungen zurückgewiesen.
Wenn etwas an dieser Auseinandersetzung erfreulich ist, dann dass sie einige interessante Fragen aufrührt, was freilich kaum bekannt wurde. In der vorigen Woche erfuhr man von einem unveröffentlichten Gutachten im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums, das der Frage nachgeht, weshalb Managergehälter eigentlich so hoch sind. Antwort: Es gibt keine Korrelation mit entsprechenden wirtschaftlichen Erfolgen, vielmehr vergleichen Unternehmen ihre Gehaltsmuster mit denen anderer Unternehmen, so dass sich Gehaltssprünge fortpflanzen. Auch die Frage, wie hoch Managergehälter sind, wurde beantwortet: Nachdem in den siebziger Jahren ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank das 30fache des durchschnittlichen Einkommens eines Arbeitnehmers verdiente, erhielten deutsche Spitzenmanager 1997 das 50fache, 1998 das 80fache, 1999 das 200fache und 2000 schon fast das 300fache. Eine Explosion zur Zeit des Kabinetts Schröder – zur Erinnerung: das war der SPD-Kanzler, der sich mit dem Ausspruch verewigte, dieses Land könne nicht gegen die Wirtschaft regiert werden.
Jetzt rudert seine Partei zurück, wieder einmal ohne Erinnerung an die Vorgeschichte. Es ist gut, dass sie eine Zügelung der Managergehälter propagiert. Doch man muss auch sagen, es ist eine typische Wahlkampf-Idee, die nur an die Oberfläche der Probleme rührt. Mag sein, dass Managergehälter nicht mit der Höhe der Rendite steigen oder fallen. Dennoch, auf eben diese Höhe richtet sich das Streben der Manager mit stets wachsender Ausschließlichkeit: Dafür werden sie eingekauft, also für den Shareholder Value, und deshalb bekommen sie hohe Gehälter. Die Verwirklichung der SPD-Forderungen würde die Triebkraft des Geschehens, eben den Drang, die Rendite unendlich zu steigern – die "Selbstverwertung des Kapitals" (Karl Marx) – völlig unangetastet lassen. Eine Neiddebatte und bloße Personalisierung von Problemen, die in der Struktur der wirtschaftlichen Ordnung liegen: Das ist schon die ganze produktive Bilanz dieses Manövers.
Kommentare 8
Alles richtig was Sie schreiben, nur wenn ich das Wort "Neid" lese, schrillen bei mir immer die Alarmglocken. In diesem Zusammenhang möchte ich an einen Unternehmer, ja Unternehmer, erinnern, der folgenden, für jedermann nachvollziehbar, Grundsatz aufstellte und auch durchsetzte, ohne dass ein Wort wie "NEID" in die Debatte eingeführt wurde.
Lassen wir Ernst Abbe antworten:
"Die Direktoren und Geschäftsführer der Zeiss-Werke dürfen nicht mehr verdienen, als das Zehnfache vom Durchschnittsjahreslohn eines 24-jährigen gelernten Arbeiters, der eine mindestens dreijährige Dienstzeit in den Zeiss-Betrieben hinter sich hat."
Was spricht eigentlich gegen diese Regelung? Nichts, nur die Maßstäbe, wenn es solche überhaupt noch gibt, haben sich verschoben!
Der Autor hat in allen Punkten Recht.
Die richtige Forderung mit der falschen Begründung - das kann nur eine wahltaktische Falle für den Koalitionspartner sein.
Dabei gäbe es doch eine Begründung, die auch die CDU akzeptieren müsste: Das Verfassungsgebot zum sparsamen Umgang mit öffentlichen Geldern.
Ohne die wären nämlich, wie wir jetzt hören, bei den Unternehmen weder Aufträge, noch Geld, noch Kredit vorhanden, Also bekämen ohne Vater Staat deren Manager mangels Masse sowieso keinen Cent, selbst wenn Unternehmens-Bilanzen dank einer Änderung des Bilanzrechtes in Zukunft Gewinne ausweisen dürfen, wo nach altem Recht binnen drei Wochen Insolvenz angemeldet werden musste.
[vgl. http://www.welt.de/wirtschaft/article2566399/Neue-Bilanzregeln-sollen-die-Rettung-bringen.html]
Alle sind sich einig, dass öffentlicher Gelder in Billionenhöhe eingesetzt werden müssen, damit es nicht zum sofortigen Stillstand kommt. Wenn das aber stimmt, darf nicht an einem Ende abkassiert werden, was nicht da wäre, würden wir es nicht am anderen zahlen - auch wenn dabei nur Geld verschoben wird, dass wir sowieso nicht haben, geschweige denn überhaben.
Die Schlüsselfrage ist deshalb, ob die ganzen sogenannten Rettungspakete überhaupt mehr bewirken können, als uns eine Galgenfrist zu verschaffen, an deren Ende unausweichlich der Staatsbankrott steht, wenn der Konjunkturmotor nicht innerhalb einer angemessenen Frist wieder anspringt.
Über ein Worst-case-Szenario für diesen schlimmsten aller Fälle wird zur Zeit nicht laut nachgedacht - schließlich ist bald Wahlkampf. Wie Wähler auf solches Nachdenken reagieren, wissen wir seit 1990, als unser Besserwisser vom Dienst seinen Gegenkandidaten, der von "blühenden Landschaften" redete und "niemandem wird es schlechter gehen," sagte, mit abscheulichen Negativprognosen auszustechen versuchte.
Vielleicht war das damals gut so. Und vielleicht haben wir auch diesmal mehr Glück als Verstand. Wenn aber nicht, gnade uns Gott!
Letzte Meldung:
Inzwischen sieht es aus, als sei bei der CDU der Groschen gefallen. Sie unterstützt die Forderung in allen Punkten. Der letzte Dissens - die Kappung der Managergehälter bei einer Million durch eine steuerliche Diskriminierung - soll heute Abend im Koalitionsausschuss ausgeräumt werden.
Weiterhin unklar ist aber, was passiert, wenn der Konjunkturmotor nicht wieder anspringt. Nicht auszuschließen, dass dann die Kappunggrenze in Verbindung einer mosambiquanischen Inflation aus Managern Ein-Euro-Jobber macht.
Das macht in der Tat Sinn. Wenn man das z.B. am Median (der Durchschnitt ist hierfür ungeeignet!) der Einkommen aller Mitarbeiter ausrichtet, gibt es sogar für das Management Anreize auch die "unteren" Löhne zu erhöhen, da nur so ihre eigene Gehaltsobergrenze steigen kann!
Haben Sie jemals erlebt, dass die SPD mal den Acker tiefer beackert hat als nun mal mit dem Finger auf der Oberfläche herum zu scharren? Klartext zu reden war nie deren Stärke. Früher hatte ich bei den SPD- Politiker immer den Eindruck, sie denken der „normale“ Bürger darf nicht zu viel Wahrheit erfahren, er könnte damit abgeschreckt werden. Sind wir Bürger wirklich so dämlich und kapieren nichts? Doch heute denke ich, die SPD hat selbst den Neoliberalismus ziemlich verinnerlicht. Das einzige, was noch übrig geblieben ist, sind noch ein paar moralische Gewissensbisse im Bewusstsein, die nur kurz vor den Wahlen ein wenig aufflackern. Immer hin, spricht die SPD die Themen wenigstens an, die Aufgabe der kritischen Öffentlichkeit ist tiefer auf die Ursachen einzugehen.
Die explodierten Managergehälter haben eine Entsprechung auf der anderen Seite der Gesellschaft gefunden - die Verarmung der Massen, die eigentlich das ganze Sozialprodukt schaffen. Die Schere geht immer mehr auseinander. Auf einer Seite Arbeitslosigkeit und Massenverelendung, auf der anderen Seite werden die Extraprofite der Reichen zur Spielmasse für die geschaffene Finanzblase, die jeglichen Bezug zu der normalen Volkswirtschaft verloren hat. Ja durch ihre Exzesse, droht sie die ganzen Volkswirtschaften in den Abgrund zu ziehen.
Meiner Meinung nach werden nicht nur die zukünftigen Generationen draufzahlen, sonder auch wir alle, schon heute. Solange unsere Politiker von den Wählern den Freibrief bekommen so weiter zu machen wie bisher, wird sich an dem globalen Casino nichts ändern. Wir alle werden die Zinsen und die Zinseszinsen für die gedruckten Milliarden, ach was - es sind schon Billiarden, zahlen. Das kollektive Bewusstsein unserer Gesellschaft ist solange gespalten, solange wir auf das Zusammenbrechen von virtuellen Werten der neoliberalen Finanzindustrie starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Solange die Mehrheit der Wähler nicht erkennt, dass der Neoliberalismus eine Lizenz in den Händen der Plutokratie zum Plündern von Massen ist, und solange wir nicht wieder zu den fundamentalen Werten zurückfinden, werden ganze Gesellschaften im Nebel herumtappen. Wir alle haben heute die Möglichkeit noch nein zu sagen, auch gerade im Sinne der zukünftigen Generationen. Wir können doch alle sagen: Nein wir zahlen nicht mehr die Zeche! Wir zahlen nicht die Zinsen für die Reichen, die sich in den Finanzmärkten verspekuliert haben! Schluss aus! Das können wir doch sagen, oder? Dürfen wir das sagen?
Der kollektive Wahn muss gestoppt werden!
Anbei mein Tipp zum Nachdenken: http://blip.tv/file/1684499/
Korrektur:
Im Begriff "mosambiquanische Inflation" fehlte nicht nur das Sesedie, es war auch das falsche Land.
Die zweihundertundeindreißigmillionenprozentige Inflation gab es natürlich in Rhodesien. Ich war da etwas durcheinandergekommen, weil der Genosse Präsident Mugabe nicht nur ständig alle Nullen streichen lässt, sondern auch das Andenken des imperialistischen Staatengründers Cecil Rhodes beseitigen wollte, wozu er das Land einfach umbenannt hat, zuerst in "Robertesien" und dann in "Reuberdesien", was aber vor der Weltöffentlichkeit hinter dem wohlklingenden Afrikanischen Wort "Simbabwe" sorgsam versteckt wurde und erst nach und nach entschlüsselt werden konnte.
Ich muss wohl in Zukunft die Nachrichten von dort mit mehr Interesse verfolgen. Es könnten Bilder aus der Zukunft Europas sein.
Auch diesen anonymen Dichter möchte ich würdigen der, wie eine Reinkarnation von Kurt Tucholsky, aus den dreißiger Jahren alles auf den Punkt bringt:
Wenn die Börsenkurse Fallen, regt sich Kummer fast bei Allen
Aber manche blühen auf, ihr Rezept heißt Leerverkauf
Keck verhökern diese Knaben, Dinge die sie gar nicht haben
Treten selbst den Absturz los, den sie brauchen, echt famos!
Leichter noch bei solchen Taten, tun sie sich mit Derivaten
Wenn Papier den Wert verliert wird die Wirkung potenziert
Wenn als Folge Banken krachen haben Sparer nichts zum Lachen
Und die Hypothek aufs Haus heißt: Bewohner müssen raus
Trifft´s hingegen große Banken kommt die ganze Welt in´s wanken
Auch die Spekulanten Brut zittert jetzt um Hab und Gut
Soll man das System gefährden? Da muss eingeschritten werden!
Der Gewinn, der bleibt Privat, die Verluste kauft der Staat
Dazu brauch der Staat Kredite und das bringt erneut Profite
Hat man doch im jeden Land die Regierung in der Hand
Für die Zeche dieser Frechen hat der kleine Mensch zu blechen
Und das ist das feine ja, nicht nur in Amerika
Und wenn Kurse wieder steigen fängt von vorne an der Reigen
Ist halt Umverteilungstour stets in eine Richtung nur
Aber sollten sich die Massen das nicht mehr Mal bieten lassen
Ist der Ausweg längst bedacht da wird ein bisschen Krieg gemacht
[Zitat unbekannter Dichter]Und wenn Kurse wieder steigen fängt von vorne an der Reigen[/Zitatende]
Woher nur nimmt er diesen Optimismus? Das klingt, als sei das "Wenn" ein "Immer wenn" und nicht als "Falls" gemeint. Aber ist das wirklich nur eine Frage der Zeit? Kann man darauf warten, dass die Kurse, die nach täglich pessimistischer klingenden Analystenmeinungen den Boden noch längst nicht erreicht haben, irgendwann drehen, nur weil sie das immer so gemacht haben?