In den ersten Jahren seiner Amtszeit sprach Kommissionspräsident José Manuel Barroso ausschließlich über Jobs und Wachstum. Doch der konservative Portugiese hat während seiner Amtszeit eine Menge dazugelernt: In einer seiner letzten Rede vor dem EU-Parlament im März referierte er großzügig von "sozialen wie ökologischen" Grundsätzen und Klimaschutz.
Solche neuen Töne konnten die spärlichen umweltpolitischen Fortschritte seiner Amtszeit allerdings auch nicht mehr schönen - denn da ging einiges daneben. Die "Green 10", Europas zehn größten Umweltverbände, stellen der Kommission völlig zu Recht ein umweltpolitisch unzureichendes Zeugnis aus: Die Trefferquote in ihrer Bilanz liegt nur bei 4,4 von 10 Punkten. Bewertet wurden Gesetzesinitiativen aus dem Hause Barrosos und deren Umsetzung, die die Kommission ebenfalls überwachen muss.
"Viele Vorschläge und Lösungsansätze wurden in den letzten Jahren einfach unter den Tisch fallen gelassen", erklärt Jorgo Riss von Greenpeace Europe. Umwelt sei oft als Hemmnis für wirtschaftliche Entwicklung betrachtet worden. Das drücke sich vor allem in der Finanzierung aus: Derzeit seien die Ausgaben von rund 130 Milliarden Euro – die während der fünf Jahre aus verschiedenen Fonds abflossen – an keinerlei umweltpolitische Grundsätze gekoppelt, beklagt Tony Long vom European Policy Centre (EPC). Wenn sich daran etwas ändern soll, müssen künftig die Gelder zumindest an die europäischen Klimaziele angebunden werden. Nur rund drei Prozent der Regionalfondgelder gehen derzeit in Erneuerbare-Energie-Projekte und Energieeffizienz. Ebenso verschwindend gering ist die Förderung von Naturschutz und Biodiversität von Seiten der Kommission.
Engagement für Grüne Gentechnik
Eine schlechte Figur machten Barroso und seine Kommissare auch in Sachen Landwirtschaft. Hier wurde auf "Business-as-usual" gesetzt und sind drängende umweltpolitische Problem wie Biodiversität, Wasserknappheit und schwindende Bodenqualität einfach ignoriert worden. Engagement hat die zuständige Kommissarin Mariann Fischer-Boel dagegen für die Verbreitung von Grüner Gentechnik gezeigt.
Erst gegen Ende der Legislatur erwachte die Kommission aus ihrem Ökoschlaf. Allerdings ausschließlich im Klimaschutz. Die Umweltverbände haben die Initiative der Kommission für verbindliche europäische Klimaziele bis 2020 denn auch gewürdigt – immerhin mündete der Vorstoß letztendlich im Energie- und Klimapaket, das vergangenen Dezember von Parlament und Ministerrat abgenickt wurde. Anrechnen kann man der Kommission auch ihren Einsatz für eine Verbesserung des Emissionshandels: Gegen den anfänglichen Widerstand der Mitgliedsstaaten setzte sie durch, dass ein Teil der Zertifikate an die Unternehmen ab 2012 versteigert wird.
Lichtblick im Transportbereich
Eine Art Lichtblick, zu diesem Ergebnis kommt auch die Bilanz der Verbände, ist der Transportbereich: Dass Umweltkommissar Stavros Dimas trotz des Widerstandes der Auto-Lobby die Diskussion um Schadstoffgrenzen auf die Agenda setzte, verdient beachtung. Wenn die Begrenzungen des CO2-Ausstoßes am Ende vom Ministerrat – vor allem von Seiten Deutschlands – dann noch erheblich aufgeweicht wurden, kann nicht der Kommission angelastet werden, meint John Hontelez, Generalsekretär des Europäischen Umweltbüros (EBB). Allerdings habe sich die EU-Exekutive nicht damit auseinandergesetzt, wie mit der steigenden Nachfrage im Verkehr umgegangen werden soll. Ein weiterer Bildgänger ist der Umgang mit der Frage der Biokraftstoffe: Mit deren Nachhaltigkeit habe man sich nicht ausreichend beschäftigt, kritisiert der Bericht.
Damit sich die EU klima- und umweltpolitisch sehen lassen kann, müssten die bisherigen Anstrengungen in den nächsten fünf Jahren bedeutend verstärkt werden. Fraglich bleibt allerdings, ob das realistisch ist, wenn Barroso – der vor einigen Tagen seine erneute Kandidatur für das Amt bekannt gab – tatsächlich wieder gewählt wird. Nicht umsonst haben die Grünen-Fraktion sowie Sozialdemokraten und Linke schon Anfang des Jahres ihren Widerstand gegen Barroso angekündigt.
Die Grünen wollen sogar eine "Anti-Barroso-Kampagne" anschieben. Eine einheitliche Position dazu haben die Umweltverbände allerdings nicht. Matthias Duwe, Direktor des Climate Action Networks (CAN), meinte unlängst, es könnte für die Klimaverhandlungen im Dezember in Kopenhagen sogar hinderlich sein, wenn kurz zuvor ein neuer, noch gänzlich unbedarfter Präsident ins Amt gehoben werde. Zwar ist die noch amtierende Kommission insgesamt weitaus schwächer einzuschätzen als ihre Vorgängerin unter dem Italiener Romano Prodi, meint auch der EEB-Vertreter Hontelz. Doch zumindest klimapolitisch ist sie nun auf dem richtigen Kurs.
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