Nur kein Proporz

60 Jahre Grundgesetz Sollen beim Festakt zum westdeutschen Doppeljubiläum im Mai nur CDU-Vertreter sprechen? Auch die SPD fordert ihr Rederecht - hoffentlich vergeblich

Um die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag von Grundgesetz und Bundesrepublik ist ein Streit entbrannt: Die SPD fürchtet angesichts des bisher bekannten Programms der zentralen Feier in Berlin eine „schwarze“ Sicht auf das Jubiläum. Hintergrund sind Pläne, nach denen die obersten Vertreter von drei Verfassungsorganen die Eröffnungsreden des zentralen Festaktes halten. Das Problem: Die Posten sind derzeit allesamt von CDU-Politikern besetzt. In dieser Woche hat sich Franz Müntefering darüber beschwert, die SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan tat schon vor ein paar Tagen ihren Unmut über das Trio Horst Köhler, Angela Merkel und Norbert Lammert kund.

Gerade ihre Kritik kommt nicht von ungefähr, schließlich soll einen Tag nach der Eröffnung der Festmeile in Berlin ein paar hundert Meter entfernt ein neues Staatsoberhaupt gewählt werden. Schwan hat zwar nur theoretische Chancen, möchte sich diese aber nicht auch noch durch dramaturgische Wahlkampfhilfe nehmen lassen. Ob Köhler, der sich zur Wiederwahl stellt, diese Bühne tatsächlich nötig hat, um die Mehrheit in der Bundesversammlung zu sichern, ist eine andere Frage. Die von den Parteien bestimmten Vertreter werden sich wahrscheinlich schon entschieden haben.

Gesine Schwan hat die Koinzidenz von CDU-lastiger Rednerliste zur Festakteröffnung und der tags darauf folgenden Präsidentenwahl so offen auch gar nicht angesprochen, sondern allgemeiner gefordert, dass die Feierlichkeiten „die vielfältigen Wirklichkeiten des Landes in den Blick nehmen“ müssten. Der Politikwissenschaftlerin fiel dazu der Satz ein: „Die CDU allein ist nicht Deutschland.“

Das ist gut beobachtet. Man muss aber ergänzen, dass die Bundesrepublik auch durch eine große Koalition nicht ausreichend repräsentiert wäre. Wenn also das Proporzprinzip die Rednerliste schreiben soll, müsste diese sehr viel länger ausfallen. Parteien, Kleingartenvereine, Schwaben, die Skorpions, Peter Sodann – auf wen die zuständigen Rednerlistenproporzverantwortlichen alles kommen könnten. Die Folge wären endlose Ansprachen, ein Wettstreit der Selbstbeweihräucherung, einen bizarres Rennen um den Titel als beste Hüterin des Grundgesetzes. Und gehören nicht auch die „Verfassungsfeinde“ zu den „vielfältigen Wirklichkeiten“ dieses Landes. Nicht auszudenken.

Deshalb, liebe SPD, geben sie nach. Der Klügere … Sie wissen schon.

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