Psychologische Kriegsführung

Rechtspopulisten Der Pro-Bewegung gelingt es bisher nicht, das Krisenklima zu nutzen. Mit ihrer Leier vom Anti-Islam will sie jetzt aber in Berlin punkten – und stößt auf Protest

Für einen Rechtsanwalt lehnte sich Markus Beisicht ganz schön weit aus dem Fenster: „Schon morgen werde ich gemeinsam mit Patrik Brinkmann hier in Marxloh eine Vereinbarung über den Erwerb einer Immobilie erzielen, in der wir ein Zentrum für die Opfer des Islamismus errichten”, rief der Landesvorsitzende ein paar Dutzend Aktivisten seiner rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro NRW zu, die im Frühjahr, vor der dortigen Landtagswahl, gegen die größte Moschee in Deutschland, in Duisburg-Marxloh, protestierten.

Es blieb bei der Ankündigung. Aus heutiger Sicht darf man wohl behaupten, dass es ein Bluff war. Genauso wie das Interesse am Erwerb einer leer stehenden Kirche in Köln-Mülheim – zu dem gleichen Zweck. Per Pressemitteilung hatte Pro NRW jeweils seine Kaufabsichten gestreut; der gewünschte Effekt stellte sich schnell ein: Ausgelöst von einem Fernsehbericht erfasste die Aufregung schnell lokale Zeitungen sowie die Politik, die sich erst nach der Wahl im Mai wieder beruhigte.

„Wir sind jedenfalls nicht undankbar für diese Geschichte, da hatten der Fernsehreporter und wir wohl ähnliche Interessen“, sagte Beisicht. Also Lust auf Skandal. Der besaß deshalb eine gewisse Glaubwürdigkeit, weil der rechtsextreme deutsch-schwedische Millionär Patrik Brinkmann Pro NRW zu Jahresbeginn angeblich eine Spende in Höhe von fünf Millionen Euro zugesagt hat. Mit diesem Geld ließe sich auch eine Kirche kaufen. Theoretisch. Denn diese Summe ist bislang vor allem von medialer Existenz, und die Gestaltungsmöglichkeiten, die dieses Geld für eine Bewegung aus der extremen Rechten böten, regt seither die Phantasie der Berichterstatter an. Ob auch sie nur ein Bluff ist?

Zweifel an den Mitgliederzahlen

Immerhin hat die noch junge Pro-Bewegung längst ein massives Problem: Ihre Kundgebungen sind durchweg sehr mäßig besucht. Auch ihre selbstverkündeten Mitgliederzahlen – 1.600 seien es alleine in NRW – stehen im Zweifel. So geht der dortige Verfassungsschutz bloß von rund einem Fünftel aus. „Das ist doch alles bloß psychologische Kriegsführung, die wollen uns klein reden“, entgegnet Beisicht. Dabei stellt selbst die rechtsextreme NPD ihre vom Verfassungsschutz veröffentlichten Mitgliederzahlen nicht deutlich in Frage. Inzwischen schickt sich die Pro-Bewegung an, aus ihrer Keimzelle heraus, der Kölner Stadtratsfraktion von Pro Köln, als Pro Deutschland zumindest dessen Westteil zu erobern. Beisicht spricht zunächst von Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Berlin. Auch die Stadtstaaten Bremen und Hamburg seien interessant.

Und so kehrt das inzwischen abgeflachte Interesse an Pro zurück, wenn auf einmal die Rede davon ist, dass der Wahl-Berliner Brinkmann den kommenden Wahlkampf 2011 zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen in der Hauptstadt mit kolportierten 600.000 Euro finanzieren wird. Damit ließe sich die ganze Stadt mit einer heftigen anti-islamischen Kampagne überziehen. Das mediale Echo wäre ungleich größer als in Nordrhein-Westfalen, und der Einzug - zumindest in einige Bezirksparlamente - wäre gewiss.

Schon bei den Kommunalwahlen im vergangenen Herbst hatte die Vereinigung als „Pro Köln“ die meisten Stimmen dort gesammelt, wo der Anteil türkischstämmiger Kölner besonders hoch ist. Auch in Gelsenkirchen, wo viele Migranten zuhause sind, kam Pro aus dem Stand zur Fraktionsstärke. Bei den Landtagswahlen setzte sich dieser Schwerpunkttrend fort, wenngleich man landesweit nur auf 1,4 Prozent kam. In Berlin wird das Ergebnis wohl höher ausfallen. Zumindest in jenen westlichen Teilen der Stadt, wo viele Migranten leben: Im Wedding, in Neukölln, in Moabit. Der Ostteil ist NPD-Territorium. Brinkmann trommelt bereits: „Wir brauchen keinen Sozialismus, und wir brauchen keinen menschenfeindlichen Islamismus“, verkündet er, und ergänzt damit die in NRW-erprobte anti-Islam-Kampagne (die Islam und menschenfeindlichen Islamismus grundsätzlich gleichsetzt) um den Faktor Linkspartei. Wir sind in Berlin.

6.000 wollen blockieren

An diesem Wochenende nun lädt Pro Deutschland ins Rathaus Schöneberg, zum Bundesparteitag, den man als Startschuss für den eigenen Wahlkampf versteht. Innerparteiliche Querelen, die sich an der Einflussnahme Brinkmanns entzünden, versucht man auszuklammern. Der Kopf von Pro Deutschland ist derzeit noch Manfred Rouhs, ein rheinischer Weggefährte von Beisicht, der auf eine einschlägige rechtsextreme Biographie zurückblickt. Rouhs soll den Kölner Erfolg auf Berlin übertragen. Immerhin spricht am Rhein niemand mehr über die NPD, die Pro dort bereits hinter sich gelassen hat.

In der Hauptstadt stößt Pro Deutschland allerdings auf breiten Protest. Ein Bündnis aus Parteien und politischen Gruppen will am Samstag in Schöneberg gegen den Parteitag demonstrieren. Dirk Stegemann von der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten hat das Ziel ausgegeben, die Pro-Veranstaltung durch Blockaden zu verhindern. Es seien 6.000 Gegendemonstranten angemeldet.

Gescheiterte aus anderen Rechts-Parteien

Von solchen Dimensionen kann Pro Deutschland derzeit nur träumen. Das größte Problem der Bewegung sind ihre fehlenden Aktivisten, Personen, die mit vollem Einsatz bei den Wahlen antreten, und am besten noch politische Erfahrung mitbringen. Denn die Multifunktionäre der Bewegung sind eine mickrige und durchsichtige Kulisse, die bei Bedarf verschoben wird. Dahinter versucht der ehemalige NPD-Spitzenfunktionär und Brinkmann-Vertraute Andreas Molau eine Parteistruktur aufzubauen, die es bislang nicht gibt. „Von Franz Schönhuber habe ich gelernt, dass Wahlerfolge ohne lokalen Unterbau nichts wert sind. Der hat immer von einem zu großen Anzug gesprochen, den man nicht ausfüllen kann”, sagte er, als er vor zwei Jahren diese Maxime noch erfolgreich für die NPD in Ostdeutschland umsetzte. Der ehemalige Vorsitzende der rechtsradikalen Republikaner gilt als Molaus politisches Vorbild. Und so versucht man nun bundesweit Mitglieder – vor allem ehemalige Mandatsträger – der gescheiterten DVU, der Partei “Rechtsstaatliche Offensive” (Schill-Partei), sowie der Republikaner für die Pro-Bewegung zu begeistern, von Frankfurt (Oder) bis in die Pfalz. Bislang ohne durchschlagenden Erfolg: Einige der Angesprochenen berichten, dass bei Pro-Deutschland zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine große Lücke klafft.

Der Mangel an Personal, auch der an eigener Glaubwürdigkeit, erklärt eine aktuelle deutsche Besonderheit: Denn im Gegensatz zu den meisten europäischen Nachbarn zeigt sich Deutschland in der allgemeinen Krise bislang immun gegen den Rechtspopulismus, wie er zuletzt in Belgien oder den Niederlanden Erfolg hatte. Dabei sehen viele wissenschaftliche Beobachter das Krisenklima als ideale Voraussetzung für derlei populistische Akteure. Das weiß auch Pro Deutschland.

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