Staatsziel Sparen

Föderalismus Die Föderalismuskommission II ist sich weitgehend einig: Künftig soll die Politik auf die Schuldenbremse treten. In den Ländern wird jetzt der Rotstift regieren müssen

In einer Zeit der Abgesänge auf den Neoliberalismus können die Anhänger der Entstaatlichungspolitik einen bedeutenden und weitreichenden Erfolg für sich verbuchen: die Föderalismusreform II. In der zuständigen Kommission hat bei der entscheidenden Abstimmung Mitte Februar außer der Linkspartei, den Grünen und dem CDU-Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein niemand die Hand zur Gegenstimme gehoben. Aber auch hier differieren die Motive stark. Die Linken halten die Schuldenbremse im Grundgesetz grundsätzlich für falsch, weil sie wie eine Investitionsbremse wirkt. Die Grünen wollen zwar eine Schuldenbremse, aber nicht die der großen Koalition, sondern ihre eigene. Und Peter Harry Carstensen will mehr Geld für die Zustimmung von Schleswig-Holstein sehen.

Die Vertreter der Landtage in der Kommission halten das Verfahren, mit dem die Schuldenbremse auf die Länderverfassungen übertragen werden soll, für verfassungswidrig. Doch deren Einwände sind vom Tisch gewischt worden. Bis Juli 2009 sollen Bundestag und Bundesrat ein Paket von Verfassungsänderungen nebst Begleitgesetzen passieren lassen. Da die FDP mitmacht, dürfte das Zwei-Drittel-Quorum in beiden Kammern stehen.

Sparmaßnahmen und Einschnitte

Doch die politische Zäsur, die die Einführung einer Schuldenbremse für den Bundesstaat bedeutet, reicht weit über die Tagespolitik hinaus. Die Partie ist nicht vorbei. Es geht es nicht nur darum, dass die Länder in einer Weise in ihrer Haushaltspolitik an die Kandare genommen werden, die Verfassungsrechtler lauthals protestieren lässt. Denn, wenn die Reform 2011 in Kraft tritt, gibt sie den Ländern ein neues Staatsziel vor, dass deren Haushalte bis 2020 ohne strukturelle Neuverschuldung auskommen müssen. Und für die finanzschwachen Länder kann dessen Umsetzung alle anderen Staatsziele in den Hintergrund drängen. Um das schrittweise zu erreichen, werden sie nicht erst 2020, sondern viel früher zu neuen Sparmaßnahmen und Einschnitten greifen müssen. Die Länder, die große Investitionsprojekte nicht mehr mit Krediten finanzieren können, werden in stärkeren Umfang auf PPP-Projekte und die Privatisierung staatlicher Aufgaben setzen. Trieb die große Finanzreform von 1967 die Expansion des Wohlfahrtsstaats und den Ausbau und die Öffnung des Bildungswesens voran, entkernt die Föderalismusreform II jetzt die Finanzverfassung des Grundgesetzes um ihre progressiven Inhalte.

Bemerkenswert ist, dass die Ministerpräsidenten der Länder hier mitziehen. Die FDP wollte immer schon ein weitreichendes Neuverschuldungsverbot, die CDU eines mit einigen Abstrichen, doch sie konnte sich gegenüber der SPD nicht durchsetzen. Dann drohte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer mit dem Ausstieg aus dem Projekt. Forderte ultimativ die Nullverschuldung für die Länder. Die SPD kickte umgehend ein. Wie schon bei der Föderalismusreform I bestimmten die unionsregierten und finanzstarken Länder die Richtung des Abschlusskompromisses, den politischen Preis für das Gesamtpaket. Sie haben das Jahr 2019, wo der föderale Finanzausgleich insgesamt neu verhandelt wird, fest im Blick. Ihre Ratio lautet: Mag die Reform II auch die Eigenstaatlichkeit der Länder schwächen, die armen Verwandten in der föderalen Familie werden davon stärker getroffen sein als die reichen. Außerdem bekommen die unionsregierten Länder über den neuen Stabilitätsrat und das Verfahren zur Gewährung von Konsolidierungshilfen an Notlage-Länder nun die Chance, sich in die Ausgabenpolitik in Bremen oder Berlin einzumischen.

Schwächung für den sozialen Bundesstaat

Die Föderalismusreform II schwächt den sozialen Bundesstaat ebenso, wie sie die verfassungsrechtliche Ausrichtung des Staats an gleichwertigen Lebensverhältnissen immer mehr zur Fiktion werden lässt. Die wirtschaftsstarken Länder wollen einen anderen Bundesstaat. Sie wollen mehr Wettbewerbsföderalismus und weniger teilen. Die Frage, ob es allerdings überhaupt eine gute Idee ist die deutschen Gebietskörperschaften in Konkurrenz gegeneinander zu stellen, interessiert sie nicht. Sie haben in der Föderalismusreform I die Bildungskleinstaaterei ausgedehnt. Nun zwingen sie den finanzschwachen Ländern in der Föderalismusreform eine Schuldenbremse auf, von der sie genau wissen, dass diese sie kaum ohne soziale Blessuren verkraften werden. Ob sich die finanzschwachen Länder, dies auf lange Sicht ohne eine Normenkontrollklage gefallen lassen werden, ist nicht ausgemacht.

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