Vergiftetes Glück

Höhenflug der FDP Die Liberalen starten mit breiter Brust ins Superwahljahr. Warum gewinnt ausgerechnet die FDP in Krisenzeiten wie diesen? Und wie lange hält der Aufstieg der Partei an?

Die Sache mit der 18 auf der Schuhsohle wird Guido Westerwelle ewig anhängen. Es war im Wahlkampf 2002, der FDP-Chef brauste in einem knallgelben „Guido-Mobil“ durch die Lande und saß irgendwann in einer Talkshow mit der für alle sichtbaren Zahl unter den Füßen. Statt einem großen Stimmenzuwachs erntete die Partei seinerzeit vor allem Kopfschütteln. Mit 7,4 Prozent fiel das Wahlergebnis eher bescheiden aus. Westerwelle spricht heute von einer „Jugendsünde“.

Angesichts der Ergebnisses von Wiesbaden wird man die Reaktion des FDP-Chefs für Koketterie halten dürfen. 16,2 Prozent für die Liberalen – was ist eigentlich so attraktiv an dieser Partei? Am Charisma des Spitzenkandidaten Jörg-Uwe Hahn kann es schließlich ebenso wenig gelegen haben wie an einem besonders zugkräftigen Wahlprogramm.

Dass ausgerechnet die Partei der Besserverdienenden und der Deregulierung in Krisenzeiten wie diesen hinzugewinnen kann, liegt nicht an Bekenntnissen zum Neoliberalismus, wie man sie gern von FDP-Generalsekretär Dirk Niebel hört. Ihre derzeitige Stärke bezieht die Partei vor allem aus der Schwäche der Union. Fast 90.000 Wähler, die vor einem Jahr noch der CDU ihre Stimme gegeben hatten, votierten am Sonntag für die FDP. Bundespolitisch wird der Wackelkurs von Angela Merkel in Sachen Konjunkturprogramm dazu einiges beigetragen haben.

Doch das Glück der Liberalen ist vergiftet. Einerseits muss die Partei der Versuchung widerstehen, ihre neu hinzugewonnene Macht im Bundesrat auszuspielen, weil zum Beispiel eine Blockade des Konjunkturprogrammes nur Steine auf den Weg zur Regierungsbeteiligung im Bund legen würde. Andererseits hat sich die FDP gerade bei diesem Thema besonders weit aus dem Fenster gelegt. Lässt sie ihren Worten nun keine Taten folgen, könnten ihr das die Wähler übel nehmen.

Das gilt auch für den Bundestagswahlkampf. Die Herzensangelegenheit der FDP, eine groß angelegte Steuerreform, gilt bereits jetzt als weitgehend chancenlos – zumal es sich vor allem um eine Steuersenkung handeln würde. Eine abermalige Belastung des Haushalts gilt als unwahrscheinlich, seit die Neuverschuldung durch die Konjunkturprogramme explodierte. Saarlands CDU-Ministerpräsident Peter Müller ließ am Morgen nach der Wahl sogleich verlauten, er sehe steuerpolitisch „einen weitergehenden Handlungsspielraum kurz- und mittelfristig nicht“.

Das Ergebnis von Hessen wird darüber hinaus die CDU zum Nachdenken bringen. Wenn eine klare Koalitionsaussage zugunsten eines schwarz-gelben Bündnisses am Ende nur der FDP nützt, warum sollte die Union dann auf Bundesebene den Fehler noch einmal wiederholen? Schon ein paar Stunden nach dem Abend von Wiesbaden haben führende CDU-Politiker verlangt, dem Aufstieg der Liberalen nicht tatenlos zuzusehen. „Wir müssen darauf achten“ warnte der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger, „dass der Trend, die FDP zu wählen, um die Union zur Kanzlerpartei zu machen, sich nicht verstärkt.“

Lässt sich abschließend noch die Frage stellen, ob die Liberalen im Superwahljahr weiterhin mit Erfolgserlebnissen wie in Hessen rechnen können. Bundespolitisch haben sie sich um einige Prozentpunkte gegenüber dem Ergebnis der Wahl vom Herbst 2005 verbessern können. Aber auf einen Ausreißer nach oben lässt sich daraus kaum schließen. Bei den vier noch folgenden Landtagswahlen sieht es ebenfalls nicht nach Überraschungsergebnissen aus. Im Saarland, in Thüringen und in Brandenburg dümpelt die FDP knapp über der Fünfprozenthürde. Nur in Sachsen sieht es etwas besser aus.

Wenn im Herbst Bilanz gezogen wird, könnte auch bei der FDP wieder etwas Ernüchterung eingezogen sein. Dass die Partei vom Wandel des Parteiensystems profitiert, ist das eine. Einen Wahlsieg wie in Hessen unter ganz anderen politischen Bedingungen zu wiederholen, etwas völlig anderes.

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