Die Bundesregierung hat ein Gesetz beschlossen, dessen Ultima Ratio eine Enteignung der Hypo Real Estate sein könnte. Nicht nur die wirtschaftsnahe Presse sieht die Republik deshalb bereits auf dem Marsch in den Staatssozialismus. Müsste da nicht Freude bei der Linken ausbrechen? Keineswegs. „Verstaatlichung ist für mich kein linkes Projekt”, wird der Partei- und Fraktionschef Oskar Lafontaine zitiert.
Für den finanzpolitischen Sprecher der Linksfraktion, Axel Troost, sind die Zeiten jedenfalls vorbei, „als man noch arglos nach der Verstaatlichung von Banken und Unternehmen rufen konnte”. Inzwischen werde diese Forderung auch in der Union erhoben, bei ihr laufe das aber lediglich auf eine Verstaatlichung von Risiken und Verlusten hinaus, nicht jedoch auf einen größeren Einfluss auf die Geschäftspolitik. Statt den unscharf gewordenen Begriff der Verstaatlichung „krampfhaft positiv wenden zu wollen”, so Troost, müsse man deshalb jetzt „den weit weniger diskreditierten Begriff der ‚Vergesellschaftung‘ aufnehmen und mit einem konkret vorstellbaren Modell füllen”.
Wie Troost geht es auch anderen in der Linkspartei darum, sich „von der geschichtstheoretischen Vorstellung zu lösen, dass Vergesellschaftung ein Prozess ist, der notwendig - aber ausschließlich nur - auf eine Verstaatlichung folgt”. Horst Arenz, Mitarbeiter des Parlamentarischen Geschäftsführers Ulrich Maurer, hat unlängst in der Jungen Welt dafür plädiert, „die Frage der Eigentumsüberführung im Kreditwesen” nicht als Voraussetzung, sondern als „Resultat eines Umgestaltungsprozesses” zu begreifen. Arenz beantwortet die Verstaatlichungsfrage „pragmatisch”: Eine Enteignung der Deutschen Bank beispielsweise könne einerseits zweckmäßig sein, um die Kreditversorgung zu gewährleisten. Andererseits würde ein solcher Schritt „heftige politische Auseinandersetzungen, begleitet von langwierigen juristischen Konflikten” hervorrufen, die „eine Belastung des für die Umgestaltung notwendigen politischen Kräfteverhältnisses” darstellen. Gemeint ist hier ein mögliches Problem einer zukünftigen “linken Regierung”.
Dass eine Enteignung, wie jetzt von der Bundesregierung diskutiert, nicht als linkes Projekt angesehen werden kann, die große Koalition auch keineswegs aus falschen Gründen etwas Richtiges tut, darauf wird schon länger außerhalb der Linkspartei hingewiesen - etwa von Ingo Stützle in seinem Blog. Der Staat stelle eben „kein Gegenprinzip zum Kapitalverhältnis” dar, sondern „vielmehr eine Bedingung zu dessen Reproduktion”. In diesem Sinne könnten „Enteignungen, die dem allgemeinen Interesse der Kapitalakkumulation dienen, durchaus geboten sein. Nichts anderes wird gerade diskutiert.”
In der Tageszeitung warnte unlängst auch der Mathematiker und Politologe Michael Heinrich (hier seine Website) vor einem „naiven Vertrauen in Verstaatlichungen”. Nicht die Spieler seien das Problem, sondern die Spielregeln. Wolle man versuchen, „über ein verstaatlichtes Bankensystem die kapitalistische Produktion in gesellschaftlich sinnvolle Bereiche zu lenken oder sie wenigstens weniger krisenhaft zu machen, dann muss auch in den kapitalistischen Charakter dieser Produktion eingegriffen werden”. Dazu reiche es nicht, die Produktion gesellschaftlicher Kontrolle zu unterwerfen, „(was etwas anderes ist als staatliche Kontrolle), vor allem müssten die Ziele und Mittel der Produktion neu bestimmt werden”.
Womit wir wieder bei Axel Troost wären. Der fragt, „wozu soll ein vergesellschafteter Finanzsektor gut sein, und wofür nicht? Wem soll er dienen, und wem nicht?” Das also ist noch weitgehend offen in der Linkspartei. Auch dazu, welcher Organisationsformen sich eine Politik der „Vergesellschaftung” bedienen soll, gibt es allenfalls Andeutungen. Nach Ansicht von Arenz soll eine „unter öffentlicher Regie praktizierte Kreditpolitik” beispielsweise durch einen „Lenkungsausschuss” bestimmt werden, in dem Gewerkschaften und Verbraucherverbände, Kommunen und Bundespolitik sowie Umweltorganisationen und Mittelstand vertreten sind. Troost schlägt zudem noch „regionale Kreditbeiräte” vor. Aber wie kommt man in solche Gremien hinein? Wer kontrolliert sie? Und wie sollen Entscheidungsprozesse organisiert werden, die ja nicht nur den Finanzbereich betreffen, sondern auch für den produktiven Sektor „Ziele und Mittel“ bestimmen müsste? Die Debatte darüber ist einerseits alt, andererseits hat sie – zumindest was die aktuelle Situation betrifft und die ihr innewohnende Chance, einmal konkret zu werden – noch kaum begonnen.
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