Wahrheit im Kriegs-Nebel

Gaza Im medialen Zeitalter ist Krieg immer auch einer um die öffentliche Meinung. Auch die Berichte über den Beschuss eines UN-Transportes im Gaza-Streifen widersprechen sich

Es war gestern kurz vor 16 Uhr, als die Deutsche Presseagentur folgende Meldung verbreitete: „Israelische Soldaten haben am Donnerstag während der Feuerpause am Nachmittag im nördlichen Gazastreifen einen Konvoi des UN-Hilfswerks UNRWA beschossen und dabei zwei Helfer getötet.“ Die Nachricht vermochte die Empörung über das israelische Vorgehen zu verstärken. Das UN-Hilfswerk stellte sogar seine Tätigkeit vorübergehend ein. Am Tag danach stellt sich der Fall allerdings komplizierter dar, als man in einem Satz erklären könnte.

Angaben der Vereinten Nationen zufolge starb am Donnerstag in der Nähe des Erez-Übergangs an der Grenze zwischen dem Gaza-Streifen und Israel der Fahrer eines UNRWA-Transportes durch Panzerbeschuss. Der Lastkraftwagen sei deutlich als Hilfslieferung gekennzeichnet gewesen. Ein weiterer Fahrer soll bei dem Angriff verletzt worden sein. Kurz darauf, so berichtete das UNRWA, sei ein zweiter Konvoi, der während der dreistündigen Feuerpause aufgebrochen war, um den Toten zu bergen, unter leichten Beschuss geraten. In beiden Fällen seien die Fahrzeuge bei der israelischen Armee angemeldet worden, die IDF habe grünes Licht für die Transporte gegeben.

Die Jerusalem Post berichtete unterdessen über ganz andere Versionen der Geschichte. Danach sei der UNRWA-Konvoi von Heckenschüssen der Hamas angegriffen worden. Außerdem habe nicht die UN, sondern das Palästinensische Rote Kreuz die Opfer geborgen. Ein Sanitäter des israelischen Magen David Adom wiederum behauptete, israelische Soldaten hätten die Verletzten wegtransportiert. Sicher sei lediglich, so die die eher konservativ ausgerichtete Zeitung, dass zwei Verletzte in einem Krankenhaus in Ashkelon zur Behandlung von Schusswunden eingeliefert seien.

Für weitere, und möglicherweise gewollte Verwirrung sorgt in diesem Zusammenhang die Meldung über Vorwürfe von UN-Offiziellen, nach denen der UN-Sanitätstransport einen toten UNRWA-Mitarbeiter habe bergen wollen, der bei einem Luftschlag ums Leben gekommen sei.

Bereits am Dienstag war mindestens eine von dem UN-Hilfswerk betriebene Schule im Gaza-Streifen beschossen worden. Dabei waren Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Auch in diesem Fall wurde der Krieg der Waffen mit Worten fortgesetzt: Die israelische Seite behauptete, von dem Gelände hätten Militante Mörsergranaten abgefeuert, UNRWA-Offizielle dementierten dies jedoch. Die Deutsche Presse-Agentur berichtete später, israelische Militärs würden "nach Angaben eines UN-Sprechers ihre bisherige Darstellung des Angriffs auf eine Schule im Gazastreifen" revidieren. Eine Bestätigung vom Militär liege allerdings nicht vor und lässt sich auch hier bisher nicht finden.

Man kann sich natürlich hinstellen und sagen, es liege doch auf der Hand, dass die israelische Seite angesichts der weltweiten Kritik versuche, ihr Vorgehen in einem günstigeren Licht darzustellen. Oder das genaue Gegenteil behaupten, nachdem es für die Hamas nicht untypisch sei, dass diese mit gefälschten Nachrichten die öffentliche Meinung zu beeinflussen trachte. Für den Beobachter hier zu Lande bleibt neben der Erschütterung über die zivilen Opfer auf beiden Seiten unter dem Strich aber nur eine alte Erkenntnis: Im medialen Zeitalter ist jeder Krieg auch einer um die öffentliche Meinung. Wie vertrauenswürdig die Meldungen über den Beschuss eines Transportes des UN-Hilfswerkes UNRWA im Gaza-Streifen sind? Aus der Distanz lässt sich darauf keine abschließende Antwort finden.

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