Warten auf Václav Klaus

Tschechien Auch nach dem eindeutigen Ja der Iren zum Lissabon-Vertrag kann die EU noch nicht endgültig aufatmen. Noch fehlt das entscheidende Plazet aus Tschechien

Noch ist vollkommen offen, wann und ob Präsident Václav Klaus das Reformwerk unterschreibt. Fast überflüssig zu erwähnen, dass er den Vertrag von Lissabon strikt ablehnt. Wiederholt warnte er davor, dass durch eine Unterschrift die Souveränität der einzelnen Mitgliedstaaten bedroht und das Demokratiedefizit innerhalb der EU zunehmen werde.

Mittlerweile weiß fast jeder: Václav Klaus ist kein Befürworter einer vertieften europäischen Integration. Die Flagge der EU weht bis heute nicht über der Prager Burg. Klaus wettert leidenschaftlich, oft auch zynisch gegen EU-Reformen und schätzt es, im europäischen Rampenlicht zu stehen.
Ob die Interessen des derzeitigen tschechischen Staatsoberhauptes auch die Interessen der Tschechischen Republik sind, muss an dieser Stelle stark bezweifelt werden. Man fragt sich immer wieder, mit welcher demokratischen Legitimation Klaus im Ausland die Positionen der vom Volk gewählten Regierung unterläuft, und wie es eigentlich zur Wiederwahl des Präsidenten kommen konnte. Mirek Topolánek, dessen Kabinett während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft im März 2009 gestürzt wurde, setzte sich 2008 noch für die Wiederwahl von Klaus ein. Mittlerweile bezeichnet der ODS-Vorsitzende Topolánek den ehemaligen ODS-Ehrenvorsitzenden Klaus als politischen Gegner.

Der „Plan B“

In Tschechien hat Klaus nicht nur beim Thema Reformvertrag wenig Verbündete. Vor Wochenfrist wurde ihm zwar von rund 300 Demonstranten die Petition Wir unterstützen unseren Präsidenten! überreicht. Zu der Demonstration hatte die Bürgerinitiative „D.O.S.T“ aufgerufen („Vertrauen. Objektivität. Freiheit. Tradition“. „Dost“ heißt übersetzt „genug“). Sie wirbt auf ihrer Homepage mit Slogans wie: „Wir lassen uns nicht von (Euro)Bolschewiken einschüchtern“, „Freiheit für Irland“ und „Nein zum Lissabon-Diktat“. Unter den Unterzeichnern der Petition sind Politiker, die freilich eher am Rande des politischen Geschehens agieren. Petr Mach, Vorsitzender der außerparlamentarischen Partei Partei der Freien Bürger (SSO), gab bei der Überreichung der Petition kühn seinen „Plan B“ bekannt: Sollte der Vertrag von Lissabon ratifiziert werden, bleibe noch der Austritt aus der EU. Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass die Mehrheit der Tschechen einen Austritt aus der EU befürwortet – für einen Austritt würde sich wahrscheinlich nicht einmal Václav Klaus stark machen.

Spiel auf Zeit

Auf das Ja der Iren reagierte Václav Klaus gelassen, verurteilte jedoch die Wiederholung des Referendums scharf. Dabei war es auch ein Verdienst der tschechischen Übergangsregierung, dass man sich während des EU-Gipfels im Juni 2009 auf Garantien für Irland einigen konnte, die ein erneutes Votum ermöglichten.

Klaus reagierte vermutlich auch deshalb recht abgeklärt, weil er nach dem irischen Referendum einen weiteren Trumpf in den Händen hält, der ausgespielt werden kann, um eine Unterzeichnung weiter zu vertagen: Vergangene Woche legte eine Gruppe von ODS-Senatoren dem Verfassungsgericht eine Beschwerde gegen den Reformvertrag vor. Einen Teil der Vertrages hatten Vertreter der gleichen Partei schon 2008 prüfen lassen. Die Richter kamen damals zu dem Schluss, dass die beanstandeten Artikel im Einklang mit der Verfassung des Landes stehen. Die Tatsache, dass die ODS-Senatoren die neue Beschwerde erst kurz vor dem irischen Referendum einreichten, ist gewiss kein Zufall. Die Taktik hinter wiederholt beantragten Teilprüfungen ist leicht zu durchschauen: Ein Spiel auf Zeit, das für die EU kräftezehrend ist. Dahinter verbirgt sich die Hoffnung der ODS-Senatoren und des Präsidenten, weitere Barrieren zu errichten und eventuell einen Ratifizierungsstopp zu erreichen. Das könnte zu guter Letzt auf ein nationales Referendum nach einer eventuellen Regierungsübernahme durch die britischen Konservativen hinauslaufen.

Von den Fesseln, die Klaus Co. der notwendigen Reformierung der EU gern anlegen würden, dürfte sich die EU mit Diplomatie und Gelassenheit, aber auch der nötigen Entschlossenheit, befreien. Die Tatsache, dass die Tschechische Republik momentan von einer Übergangsregierung ohne politisches Mandat regiert wird, macht die Sache nicht einfacher. Václav Klaus wird auf jeden Fall versuchen, Zeit und Aufmerksamkeit einzufordern, die er für sich in Anspruch nimmt – auch wenn das vielen absurd erscheint.


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