Wer, wenn nicht ihr und wir?

Der Russen liebste Ausländer Zu den Deutschen fühlen sich die Russen unwiderstehlich hingezogen, trotz aller bilateralen Friktionen. Das ist das Fazit einer Studie

Ungeachtet Millionen russischer Kriegstoter im II. Weltkrieg erklären 51 Prozent der Russen, sie wünschten sich einen möglichst engen Schulterschluss mit der Bundesrepublik. Die steht im Ranking der Partner noch vor Belarus (50 Prozent), China (47) und Frankreich (45) lässt sich einer zum Jahresende vom Allensbach-Institut und den Meinungsforschern des Moskauer Lewada-Zentrums gemeinsam veranstalteten Umfrage entnehmen.

Nur zwei Prozent der interviewten Russen glauben, dass in Deutschland Antipathie und Feindseligkeit gegenüber ihrem Land gepflegt würden. Feindselig verhalten sich nach Meinung von 68 Prozent der Befragten heute stattdessen besonders Georgien, die USA (65 Prozent) und die Ukraine (50). Man hofft, sagen über 70 Prozent, dass Deutschland und Frankreich eine fortgesetzte NATO-Erweiterung nach Osten stoppen.

Das positive Votum über Deutschland sei vorrangig Resultat einer freundlichen Berichterstattung der russischen Medien, konstatiert das Lewada-Zentrum und fährt fort, Russen und Deutsche fühlten bei aller Sympathie, die es füreinander gäbe, allerdings recht unterschiedlich. Während 45 Prozent der Russen erklärten, sie mögen die Deutschen, antworteten dem Allensbach Institut nur 25 Prozent der befragten Deutschen, sie würden Gleiches gegenüber Russen empfinden.

„Hitler kaputt!“ Häufig taucht bis heute dieses Wort-Paar in Alltags-Situationen ob in Moskau oder anderswo auf. Zumeist geschieht das, um ausgelassene Freude zu bekunden. Der Sieg über Hitlers Armee – das bleibt etwas, worauf die Russen nach wie vor ausgesprochen stolz sind. Trotzdem möchte man die Deutschen gern als Freunde, noch besser als Cousin oder Bruder in die eigene Familie aufnehmen. Immerhin gab es mit der DDR bereits über vier Jahrzehnte hinweg den kleinen deutschen Bruder.

In den Filmen über den II. Weltkrieg, die nach wie vor unaufhörlich von russischen Fernsehkanälen ausgestrahlt werden, wird fein säuberlich unterschieden, zwischen „barbarischen Faschisten“ und dem „deutschen Volk“. Von Verbrechen der Wehrmacht und einer Verantwortung deutscher Offiziere wollen die Russen in ihrer Mehrheit partout nichts wissen. „Das waren Soldaten, die Befehle ausführten“, lautet die landläufige Meinung. So behandelt Russland das allseits geschätzte Deutschland wie einen nahen Verwandten, vor dem man Respekt hat, aber auch etwas lernen kann. Urdeutsche Eigenschaft werden nicht nur neidisch quittiert, sondern auch häufig zitiert. Ein Deutscher, der in Moskau zu spät kommt, muss sich anhören, „ich denke, die Deutschen sind alle pünktlich?!“. Wer als Deutscher in Russland weder ein eigenes Auto noch ein Foto vom eigenen Haus in Idar-Oberstein oder sonst wo vorzeigen kann, dem traut man nicht. Denn alle Russen wissen ganz genau, dass alle Deutschen ein Haus und mindestens ein Auto haben. Man hat sie doch gesehen, die deutschen Rentner, die mit eleganten Bussen durch St. Petersburg fahren. „Mehrmals im Jahr können die Urlaub machen, so hoch sind die Renten in Deutschland.“ Von den Arbeitslosen braucht man gar nicht erst zu reden. „Die können doch froh sein, bei der Unterstützung, die sie kriegen“, kursiert als verfestigtes Urteil. Erst seit die Finanzkrise die Welt erschüttert, fragen die Russen den deutschen Korrespondenten in Moskau gelegentlich: „Na, behältst du deinen Arbeitsplatz?“

Ein Leben in Deutschland, das ist für viele Russen so etwas wie ein reizvoller Traum. Kein Kampf mehr ums tägliche Überleben – Krankenkassen, die alles bezahlen, zuvorkommende Polizisten und Beamte, gepflegte Städte und komfortable Einfamilien-Häuser überall. Das ist Deutschland. Als begehrteste Region gilt der Freistaat Bayern, als am meisten verehrte Stadt Dresden – wegen der Gemäldegalerie, seiner Kultur und Geschichte. Eine Geschäftspartnerschaft mit einer deutschen Firma ist für russische Unternehmer der Traum schlechthin. Wer derartige Geschäftsbeziehungen nicht als Bruderschaft betrachtet, erntet nur Kopfschütteln. „Wir gehören doch zusammen, wir sind doch natürliche Partner. Wir haben die Rohstoffe – ihr die Technologie“, hört man immer wieder.

Schwierigkeiten haben die Russen nur mit deutscher Sparsamkeit, bei manchen auch als „Schadnost“ (Geiz) verschrien. Fast 100 Prozent der Befragten haben den Demoskopen vom Lewada-Zentrum zu verstehen: Lieber ein kurzes Leben mit dem Sinn für gerechtes Teilen und Genuss als ein langes mit Haushaltsbuch und elender Enthaltsamkeit.

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