Necla ist zu Besuch bei uns, meine Schwägerin, jüngstes der neun Geschwister meiner türkischen Frau. Beide sind schön und energisch, Necla trat vor einem halben Jahr Ihrem zweiten Gatten in den Arsch, warum, soll ich nicht schreiben. Jedenfalls, sie zog nach Chicago und lernt dort Englisch. Nun ist sie hier in Turgutreis, türkische Ägäis, auf Urlaub bei uns, und wird mir zeigen, wie man türkischen Dorfkäse macht, bevor es für sie wieder nach Istanbul (Scheidungskram) geht und zurück nach Chicago.
Dass Necla schön ist, lenkt mich ab. “Du brauchst erst mal drei Liter Milch, fahr' runter ins Dorf, und bring' Joghurt mit!” Klingt ziemlich dominant, aber gut, ich fahre.
Dieser Mann, der hatte sie nicht verdient. Sie lebten in der Schweiz, er wohnte schon vorher dort, sie zog nach und wurde unglücklich wegen Schwyzerdütsch und diesem Mann. Necla ist 44 und seit fünf Jahren Rentnerin. Nach nun abgeschafften Gesetzen konnten Frauen in der Türkei nach 20 Arbeitsjahren in Rente gehen. Necla tat es. “Ich bin frei, kann reisen, genießen. Es geht mir gut.” Sie hatte prima verdient, als Chemielaborantin bei einem Schweizer Arzneimittelriesen in Istanbul. Gesetzliche Rente, Betriebsrente, vermietete Eigentumswohnung in guter Lage der Metropole. Das macht unabhängig.
Ich bin wieder bei Necla, mit Joghurt und Milch. “Bravo”, ruft sie. In Chicago fehlten Ihr die türkischen Düfte und Genüsse, diese Aromen, “falls Du verstehst, was ich meine.” Geht wohl auch anderen Türken so in Chicago. Milch ist dort viel billiger als in der Türkei, Käse aber teuer. Also öfter mal türkischer Käse made by Necla in Chicago, auch für mitstudierende Landsleute und die amerikanischen Herbergselten im Wohnheim, die sie öfter mal türkisch bekocht. Ob denen das schmeckt? “Ja, die rufen beim Essen ooh.”
Necla bringt drei Liter Milch in einen großen Kochtopf zum Aufkochen, gibt 800 Gramm Joghurt dazu. “Wo ist der Holzlöffel?!” Hier. Sie rührt langsam, rund fünf Minuten, ich sehe, wie festes Käsegebröckel sich allmählich absetzt von leicht grünlicher Molke. Fast fertig!
Jetzt braucht sie ein dünnes Tuch “das aber nicht nach Weichspüler stinkt”. Mit diesem Tuch legt sie weit überlappend ein großes Sieb aus, setzt das auf einen anderen Topf, gießt die Milchlorke hinein, die Molke fließt durch, Käsebrösel bleiben im Tuch. Necla fasst nun die vier Ecken des Tuches zusammen, hebt und senkt das Bündel ein paar Mal und legt es auf ein Holzbrett und schlägt die Tuch-Enden über dem fast runden Käselaib zusammen. Auf den legt sie ein anderes Brett, auf das stellt Sie einen Topf mit Wasser. So entsteht binnen vier Stunden ein flacher (rund fünf Zentimeter dicker) Käselaib von 700 Gramm (geschätzt).
“Jetzt pass auf!” Ja.
Necla reibt den nun schon erstaunlich festen Käse mit Salz ein, wickelt ihn in Küchenfolie und legt ihn in den Kühlschrank. In ein, zwei Tagen soll er gut sein. (Wer ihn länger aufbewahren will, legt ihn ohne Folie in ein Gefäß mit der Molke, die beim Kochen entstanden war. So hält er sich abgedeckt und in kühlem Milieu rund vier Wochen.)
Ich bin Langschläfer, Necla nicht.
Am nächsten Morgen weckt sie mich zur Unzeit, an meiner Schulter rüttelnd und mit einem mehrfachen “Heee!” Ich trotte in die Küche. Duft von Tee und frischem knusprigem Weißbrot, auf dem Tisch ein Omelette mit Dill und Petersilie, ein Teller mit Oliven, schrumplig schwarzen und glatten grünen.
Und: der hausgemachte Käse! Druckprobe: ähnliche Konsistenz wie Mozzarella. Der Geschmack ist etwas kräftiger als der Italiener und köstlich milchig. Kleine Salznote. (So doof geht übrigens nicht selten Restaurantkritik.)
Brot, Butter, selbstgemachter Käse, Tee und so weiter. Außerdem Necla und Perihan (Feenkönigin), das ist meine Frau. Und ich, eher seitlich sitzend am Tisch. Ich esse schnell, viel und rufe überzeugt “ooh!” Necla freut sich, die Feenkönigin guckt komisch, bestimmt eifersüchtig.
Die Sonne scheint in die Küche, ich gucke nach draußen in die Berge. Ein schöner Tag.
Zusammenfassung der Zutaten:
3 Liter Milch
800 g Joghurt (3,5 % Fettanteil)
10 g Salz
2 Töpfe
1 großes Haarsieb
1 Küchentuch
Dazu passen Fladenbrot mit Butter, Tomaten mit Oliven und Knoblauch, Omelette mit Kräutern, Honig …
Verfeinerungen:
Rohmilch
Bio-Joghurt
Meersalz
https://docs.google.com/File?id=df67zb9s_1cbtch9t3_b
Necla, der Käse (Mitte), weinsztein (rechts)
Kommentare 22
Das geht mit pasteurisierter Milch?
Womöglich auch mit Ziegenmilch?
Nicht vergessen, die Feenkönigin wieder zu versöhnen...
das geht mit milch (jedenfalls bei der bäurin im schwarzwald)
wir könntens aber auch mal mit kamelmilch versuchen
oder mit yak
die 'gute' hausfrau kauft auch nicht yoghurt im laden ... den hat sie selbstgemacht sowieso im haus
"Bravo", rufe ich, falls Sie verstehen, was ich meine.
Lässige Schwägerin, schmackhaftes Protokoll:)Und Danke fürs Rezept! Grüße ans Meer -emma
http://lh6.ggpht.com/_KzT7aueQ9sM/TIJMudSiWbI/AAAAAAAAAvM/laqUgGJzU6o/s400/Folie3.jpg
Äh, ich komm' gern noch mal zurück.
Liebe Dame,
ja, dieser Käse besteht aus pasteurisierter Milch und homogenisiertem Joghurt. Müsste auch mit Ziegenmilch klappen, aber ich weiß es nicht.
Die Feenkönigin ist unversöhnlich und fragt, was ich mir einbilde, dass sie auf auf ihre kleine Schwester eifersüchtig sei. War von mir sowieso nur spaßig gemeint. Sie hatte komisch geguckt, weil ihr mein Frühstücksenthusiasmus auf die Nerven gegangen war.
Nee, ich grübele.
Mit auf's Foto wollte die Feenkönigin wohl nicht?
Wogegen umklammern Sie das Bündel Knoblauch, lieber weinsztein? Gegen Frühstücksenthusiasmus, wegen der unversöhnlichen Feenkönigin oder aus ganz allgemeiner Furcht vor Fotos, Vampiren o.ä.?
Das wird ausprobiert mit Milch und mit Ziegenmilch - ich werde berichten...danke fürs Rezept. Und unbekannte Grüße an die Sippe ...;-)...
Die Fee aller Feen machte das Foto, lieber goedzak. Perihan wird nachgereicht.
Lieber weinsztein,
wir waren uns nicht immer grün, aber: Was Sie können, das können Sie. Danke für den Artikel.
Grüße,
J. A.-P.
Danke schön, lieber J.A-P.
Danke Emma,
Schwägerin Necla und Feengattin sind nicht nur lässig. Oft tuscheln sie, lachen gehässig und ich weiß: es geht um mich.
Andererseits kochte Necla nach meinem Rezept Königsberger Klopse für ihre Herbergseltern in Chicago und mehrte so meinen Ruhm. Leider vergaß sie die Kapern. Tja. Die heutigen Kaliningrader wird's gruseln und die Amerikaner riefen mal wieder "oooh!".
Olala...!!! Mmmmhhhh! Oder zusammenfassend einfach nur oohhhh...? ;-)
Liebe Leif Miles,
contenance bitte!
Diesmal ging es doch nur um Käse, nicht um mich.
Wobei: Mmmmhhhh und ooohhh - das erlebe ich oft, wenn ich ein Foto von mir online stelle :-)
@weinsztein, ich habe mich inzwischen weitgehend wieder eingekriegt; das verflixte Lächeln stellt sich jedoch bei dem "cheese!" trotzdem automatisch wieder ein...;-)
wie erholsam, dieser Tage einen interkulturellen Beitrag der anderen, informativen und lebensschönen Art zu lesen.
Oha,
ein Königsberger Klopse-Rezept von Ihnen? Das weckt jetzt natürlich Begehrlichkeiten...wie, wenn ich fragen darf, empfehlen Sie die Zubereitung?
kocht ihnen hinterher - Emma
Königsberger Klopse
für Emma in Uniform
Zutaten: für die Klopse 750 g Rindergehacktes, 1 Handvoll feingewiegte Blattpetersilie, 2 Eier, 1 feingewürfelte mittelgroße Zwiebel (in wenig Öl glasig angeschwitzt), 1 dicke feingewürfelte Knoblauchzehe oder mehr, Salz, schwarzer Pfeffer, 1 Prise Muskat, 1 in Wasser eingeweichtes und danach gut ausgedrücktes Brötchen, 3 EL Sahne.
Für die Brühe 1 Liter Wasser, Salz, 1 mit 3 Nelken gespickte Zwiebel, 2 Lorbeerblätter.
Zubereitung: Alle Klops-Zutaten mit der Hand gut vermischen, bis ein fester Teig entsteht. Abschmecken. Unterdessen die Brühe fünf Minuten kochen lassen, dann vom Herd nehmen. Mit nassen oder eingeölten Händen rollend kleine Klopse in der Größe von Tischtennisbällen formen. Diese in die heiße Brühe geben und 15 Minuten bei schwacher Hitze garen. Die Brühe darf nur simmern, nicht kochen. Der Trick: auf diese Weise wird die Brühe zur Fleischbrühe, Sie können auf gekörntes, gewürfeltes oder anderes Instantzeug verzichten. Nun die Klopse aus der Brühe nehmen und beseite stellen. Die Brühe durch ein Sieb seihen.
Zutaten für die Sauce: 4 EL Öl oder ca. 60 g Butter, 3 gehäufte EL Mehl, Saft einer halben Zitrone, 1 TL Senf, 1 EL Zucker, 3 EL Kapern, 1 Prise Muskat, Salz und Pfeffer, 1 Eigelb, 200 ml Sahne.
Fett und Mehl in einen Topf geben und sofort bei schwacher Hitze mit einem Schneebesen verrühren, bis keine Klümpchen mehr zu sehen sind. Die obige Fleischbrühe hinzugeben und weiter rühren. 10 Minuten kräftig kochen (ich gebe meist einige kleine geschälte Zwiebeln dazu, weil lecker). Jetzt Zitronensaft, Senf, Zucker, restliche Gewürze und die Kapern dazu geben. Abschmecken, evtl. Nachwürzen, es soll eine süßliche, säuerlich-salzige kräftige Komposition entstehen. Wenn die Ihnen schon einigermaßen gut schmeckt, aber irgendwas noch fehlt, verquirlen Sie das Eigelb mit der Sahne und geben es in die samtene Sauce. Rühren und nicht mehr kochen lassen.
Nun geben Sie die vorgegarten Klopse in die Sauce, bei schwacher Hitze (nicht kochen!) für 10 bis 15 Minuten. Mit kleinen Pellkartoffeln zu Tisch bringen. Grüner oder bunter Salat passt prima dazu.
Guten Appetit!
weinsztein
Yeah!
Haben Sie vielen Dank, herzallerliebst.
Ich versuche mich am Wochenende daran, klingt nicht gerade ganz einfach, aber ich berichte nach der Verkostung...Passt dazu auch Roter? Spätburgunder? Oder eher ein Chardonnay?
hicks - Emma
Die Zubereitung geht ganz leicht, es klingt nur etwas schwierig wegen meiner Neigung zur Ausführlichkeit, wenn es um die Kocherei geht.
Einen Spätburgunder Weißherbst kann ich mir gut zu den Klopsen vorstellen aber am besten passt - finde ich - ein Bier.
Prost Emma