Wie Max Frisch einst gesagt hatte: Deutschland hat Gastarbeiter gerufen, es sind aber Menschen gekommen. Sie sind Abgeordnete, Ärztinnen, Journalisten, Schauspieler, Juristen, Nationalspieler geworden – auch Dönerverkäufer und Taxifahrerinnen. Und ihre Kinder werden zum Oberbürgermeister von Landeshauptstädten gewählt, wie jetzt Belit Onay in Hannover.
Es gibt eine Stelle in der Dankesrede von Onay nach dem Wahlsieg vor den Freunden, Anhängerinnen und Mitarbeitern seiner Partei: „Seni çok seviyorum. Her şeyimsin sen benim.“ (Ich liebe dich sehr. Du bist mein alles). Ein überraschender Moment, der klar macht: Türkisch ist die emotionale Sprache des zukünftigen Bürgermeisters.
Belit Onay wurde 1981 in Goslar geboren und ist dort aufgewachsen, hier hat er alle Stationen des deutschen Bildungssystems durchlaufen. Doch er steht zu seinen türkischen Wurzeln. Onay ist ein Gastarbeiterkind. Seine Eltern kamen in den 70er Jahren nach Deutschland.
Wieso ist es wichtig, Onays Herkunft zu thematisieren? Weil er Vorbild sein kann für viele Kinder türkischer Eltern. Wir leben in Zeiten, in denen Kinder von Migrantinnen und Migranten oft mit negativen Themen in die Schlagzeilen kommen. Schlagzeilen, die die AfD dann instrumentalisiert. Belit Onay ist die beste Antwort auf einen Europaabgeordneten namens Nicolaus Fest, der Gastarbeiter und ihre Kinder als „Gesindel“ beschimpft.
Politisiert, sagt Onay, habe er sich nach dem rechtsextremen Brandanschlag von Solingen 1993, bei dem fünf Menschen türkischer Herkunft umgebracht wurden, 17 weitere verletzt. Belit Onays Familie entschied, trotzdem in Deutschland zu bleiben.
Hannover hat Gastarbeiter gerufen, es sind Menschen gekommen, sie sind geblieben, und jetzt werden sie Bürgermeister.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.