Preschen Sie vor!

Der neue Knigge Rainer Grießhammer rät zur Klimadiät

Knigge - heute? Ja! Aber es muss die Gemütsarten der Menschen studieren, wer sie beeinflussen will. Und so wäre es mein erster Tipp an den Verlag: Der Bundesumweltminister, der Wirtschaftsminister, aber auch alle anderen sollten dieses Benimm-Buch von Rainer Grießhammer geschenkt bekommen, auf dass die bei der spätsommerlichen Kabinettsklausur in Meseberg abgesegneten "Eckpunkte für ein integriertes Klimaprogramm" auch wirklich integriert werden. Denn eines vergisst die Politik immer wieder: die Gebaren der Menschen zu studieren, wie Freiherr von Knigge das vor 200 Jahren mit seinem Verhaltensführer tat. Da unsere Minister aber vermutlich keine Zeit haben, Bücher zu lesen - auch dieses nicht - will ich stattdessen des Autors Gabe loben, wissenschaftliche Erkenntnisse über Ausmaß und Folgen des Klimawandels verständlich aufzubereiten und Chancen eines klimaschonenden Verhaltens in so animierender Weise zu präsentieren, dass man sich dem nicht entziehen kann - Klimaschutz maßgeschneidert.

Zuerst das tun, was leicht fällt - Ökostrom beziehen, Sparbirnen nutzen, Stand by ausschalten. Dann das sorgfältig Abgewogene in Angriff nehmen - Hausbau und Autokauf. Und nie vergessen: Die CO2-Emissionen sind bei alldem die strategische Kategorie, folglich ist unter der Annahme, dass unser Klimasystem auf Dauer nur etwa drei Tonnen pro Kopf und Jahr verträgt, Klima-Diät angesagt.

Grießhammers Schonkost braucht die innere Läuterung des Probanten, der in einem Zwei-Personen-Haushalt mit acht der vorgestellten Maßnahmen bereits 3,4 Tonnen einspart und radikale Verhaltenskorrekturen nicht scheut: Der weniger fliegt (Wussten Sie, dass ein Australien-Urlaubsflug gleich mit 12,6 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten zu Buche schlägt?), vom Auto auf die Bahn umsteigt, Carsharing und Fahrrad schätzt, mehr Bio-Lebensmittel verzehrt (Man beachte das hohe Treibhauspotenzial bei Butter, Sahne, Käse) - dann stellt der Klima-Knigge ein Minus von neun Tonnen Kohlendioxid und um einige tausend Euro minimierte Ausgaben pro Jahr in Aussicht. Also alle Handlungsfelder des persönlichen Daseins durchleuchten und die Klimaanlage im Auto nicht vergessen, mit der man Erwärmung zu entgehen sucht - mit diesem Aggregat aber erst recht dafür sorgt. Im Übrigen kann, wer zum Klima-Knigge greift, in dieser Zeit nicht Auto fahren.

Bis 2050 muss der Ausstoß von Treibhausgasen global um mindestens 50 Prozent reduziert werden, in den Industrieländern - und damit in Deutschland - um 80 Prozent, wenn eine Erderwärmung über die jetzt schon unvermeidbaren zwei Grad Celsius hinaus gemieden werden soll. Jeder sollte um das gute Beispiel nicht verlegen sein. Da nun aber die Gemütsarten der Menschen unterschiedlich sind - wie Freiherr von Knigge schon sagte - kann es, so meint der moderne Knigge, Rainer Grießhammer, kein Klimaschutz-Generalrezept geben, das für alle passt. Der Autor folgert: "Preschen Sie vor! Doch Sie müssen nicht müssen. Sie sollen wollen!"

Rainer GrießhammerDer Klima-Knigge. Energie sparen, Kosten senken, Klima schützen, Berlin. Booklett, 2007, 189 Seiten. ISBN 978-3-940153-02-9

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