Systemrelevante Banken und ein existenzrelevantes Öko-System

Gastkolumne "Wir wollen gemeinsam beschließen, nicht mehr auf Kosten anderer zu leben", sagt Horst Köhler. Aber wieso macht er sich dann nicht für einen "Global Green Deal" stark?

Wenn es auf den Finanzmärkten brennt, dann muss gelöscht werden, auch wenn Brandstifter am Werke waren!“ Nach diesem Motto vom Herbst wurde zuletzt viel gelöscht bei uns und anderswo, mit publizistischen Spritzen, mit viel frischem Geld, mit riesigen Kreditgarantien. Die Brandstifter laufen aber weiter frei herum, „gierige Geld-Säcke“ (Bild) kassieren ab und für den Neubau des Geld- und Finanzgebäudes fehlt noch immer ein überzeugendes architektonisches Konzept. An neue Strukturen wagte man sich eben nicht heran.

Nun sprach der Bundespräsident und gab auf die Frage, wie es zu der Krise kommen konnte, diese Antwort: „Zu viele Leute mit viel zu wenig eigenem Geld konnten riesige Finanzhebel in Bewegung setzen…“ Es brauche einen starken Staat, der dem Markt Regeln verordne und sie durchsetze. Worin derartige Regeln bestehen könnten, sagte er freilich nicht, fand aber einen anschaulichen Vergleich: „Es wäre ein geringeres Risiko gewesen, eine Eisenbahnlinie quer durch Afrika zu bauen, als in eine New Yorker Investmentbank zu investieren“. Ja, da klang was an, auch weil Köhler an dieser Stelle den Klimawandel nicht vergaß, der zeige, dass wir eine neue Balance brauchen zwischen unseren Wünschen und dem, was der Planet Erde erträgt. Deshalb müsse es diesmal eine „ökologische industrielle Revolution“ geben.

Der Bundespräsident gab also ein Öko-Signal inmitten der größten Wirtschaftskrise, der die Welt seit 80 Jahren ausgesetzt ist. Weiter jedoch wollte Köhler nicht gehen. Weil er den ökonomischen Systembruch nicht wahrhaben wollte, konnte er den Systemwechsel nicht fordern. Wenigstens war noch die Rede davon, dass „die Erde ungeduldig“ werde. Deshalb müssten die armen und die reichen Nationen aufeinander zugehen. „Die reichen, indem sie Energie und Ressourcen einsparen und die Technik dafür liefern. Die armen, indem sie von vornherein ihr Wirtschaften auf das Prinzip der Nachhaltigkeit ausrichten“. Es gehe um ein neues Wohlstandmodell. „Wir wollen gemeinsam beschließen, nicht mehr auf Kosten anderer zu leben“.

Da war er, der ökologische Systembruch, der nur darin bestehen kann, unverzüglich unsere Umweltschulden zu begleichen, das Klimasystem zu stabilisieren und die vielen Schwelbrände in der Natur zu löschen. Was sofort die Frage nach den geeigneten Instrumenten aufwirft, die mehr Ressourceneffizienz garantieren und den „ökologischen Fußabdruck“ auf das systemgemäße Maß beschränken. Nur so kann verhindert werden, dass im Oktober schon aufgebraucht ist, was die Erde für uns im ganzen Jahr an Biokapazität bereithält, nur so lassen sich der Ausbau erneuerbarer Energien und der Umstieg auf saubere Technologien vorantreiben. Wir haben zu entscheiden, wie das globale ökologische Überlebensinteresse gegenüber den alles dominierenden ökonomischen Machtinteressen institutionell gestärkt werden kann. Und dann wäre da auch noch die Frage, ob die „umweltpolitischen Vorreiter“ – Deutschland und Europa – wieder zum Reiten gebracht werden können, wenn zwar ein großer Finanzgipfel in London veranstaltet wird, der bevorstehende, alles entscheidende Klimagipfel in Kopenhagen aber völlig aus dem Blickfeld der Politik verschwunden ist.

Horst Köhler hätte gut daran getan, sich mit den Befürwortern eines „Grünen Weltvertrages“ (Global Green New Deal) zu identifizieren. Die Staaten haben gigantische zwei Billionen Euro, um die Banken zu retten, bringen aber das eine Prozent des Weltsozialprodukts nicht auf, das laut Stern-Report von 2006 nötig wäre, um das Klimasystem zu stabilisieren. Statt Überholtes zu konservieren, könnte man neue, nachhaltige Strukturen aufbauen. Das Geld für eine „Öko-Revolution“ – den tiefgreifenden ökologischen Strukturwandel von Wirtschaft und Gesellschaft – ist, wie die letzten Monate gezeigt haben, zweifellos vorhanden.

Udo Ernst Simonis ist Umweltpolitiker und UN-Berater

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