Auf den Prüfstand!

Mobilitätsindustrie Fliegen ist vor allem billig, weil es so viele tun. Bekäme man die Massen auf die Schiene, würde es auch dort billiger – inklusive Entlastung fürs Klima

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Gehört der Schiene die Zukunft?
Gehört der Schiene die Zukunft?

Foto: Nathan Gonthier/Unsplash

Der Flugbetrieb hat einen beträchtlichen Anteil am Klimawandel. Der internationale Tourismus ist für satte 8 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Deutschland trägt als Reiseland mit jährlich 329 Megatonnen zu dem Kohldioxid-Ausstoß bei. Nur die Länder China und die USA verursachen eine höhere Emission.

Die ökonomischen und ökologischen Zusammenhänge werden in Deutschland aber nur sehr begrenzt diskutiert, weil häufig die Meinung vertreten wird, dass der Flugbetrieb wegen der fehlenden Kerosinsteuer beziehungsweise durch die Subventionierung so kostengünstig ist. Der Grund ist aber (auch) ein anderer. Sowohl der Flugbetrieb als auch die gesamte Mobilitätsindustrie partizipieren vom Gesetz der Massenproduktion. Dieses ökonomische Gesetz besagt, dass bei wachsender Ausbringungsmenge die Stückkosten enorm absinken, weil sich die fixen Kosten auf eine größere Stückzahl verteilen. Das Gesetz hat schon Henry Ford bei der Produktion des Ford T-Modells im Jahre 1908 genutzt, um die sogenannte „Tin Lizzie“ günstig zu produzieren. Der Flugbetrieb nutzt diese Gesetzmäßigkeit ebenfalls. Das bedeutet: Je mehr geflogen wird, desto günstiger können die Flüge angeboten werden. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht reduzieren sich die Stückkosten für die Unternehmen, daraus ergeben sich Wettbewerbsvorteile, und die Konsumenten erhalten somit günstige Flüge. Betriebswirtschaftlich klingt das sehr verlockend. Volkswirtschaftlich erwachsen daraus aber einige Probleme.

Natürlich gilt das Gesetz der Massenproduktion auch für den CO2-Ausstoß. Je mehr Personen fliegen, desto geringer ist die CO2-Emission pro Person. Die Fluggesellschaften bewerten sich nach betriebswirtschaftlichen Kriterien und ermitteln die CO2-Emissionen pro Passagier und Kilometer. Die nehmen mit zunehmenden Flugbetrieb ab und die Mehrzahl der Flugpassagiere ist beruhigt, weil sie jetzt die C02 -Belastung mit ihrem PKW vergleichen können und feststellen, dass eine Autofahrt ebenso klimaschädlich ist. Aus der volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise sind diese relativen Zahlen aber vollkommen irreführend und verharmlosen die Problemlage. Volkswirtschaftlich sind natürlich die absoluten Zahlen relevant. Hier fallen betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Logik auseinander.

Der Flugverkehr erzeugt knapp zehn Prozent aller klimaverändernden Gase und ist extrem schädlich. Im Jahre 1970 wurden auf den insgesamt elf Flughäfen in der Bundesrepublik Deutschland 620.749 Flugbewegungen gezählt. Im Jahr 2015 wurden 3.029.066 Flüge in Deutschland registriert. Ein Vergleich der Jahre 1970 und 2015 ergibt eine Steigerung der Flugbewegungen um circa 390 Prozent. Wenn der Flugverkehr in Deutschland in den letzten vierzig Jahren um knapp vierhundert Prozent gestiegen ist, dann ist auch der CO2-Ausstoß um circa vierhundert Prozent gestiegen. Technische Neuerungen und Innovationen trugen möglicherweise dazu bei, dass die Steigerung nicht ganz so hoch ausfällt.

Schuldzuweisungen bringen nichts

Letztendlich hat die EU-Kommission diese Steigerung der Flugbewegungen zu verantworten. Die Liberalisierung der Luftfahrt begann in den 1980er Jahren. Der Flugverkehr war zu dieser Zeit national reguliert. Die Märkte wurden privatisiert, dereguliert und für ausländische Anbieter geöffnet, somit konnten sich die Billigflieger etablieren. Die Konsumenten profitierten vom Gesetz der Massenproduktion, und die Stückkosten für ein Flugticket wurden mit zunehmendem Flugverkehr immer günstiger.

Nun sind aber nicht nur die Flieger Schuld an der Misere. Schuldzuweisungen sind an dieser Stelle auch nicht zielführend, denn es macht keinen Sinn, darüber zu debattieren, ob beispielsweise der Flieger, der Passagier eines Kreuzfahrtschiffes oder der Autofahrer die Umwelt mit CO2 stärker belastet. Die Mobilitätsindustrie ist der einzige Sektor, der in den vergangenen Jahren nichts zu den Emissionsminderungen beigetragen hat. Der CO2-Ausstoß nimmt im Verkehrssektor – nach einer kurzen Phase der Stagnation – wieder zu.

Also gehört die gesamte Mobilität auf den Prüfstand – sie muss neu gedacht werden. Natürlich ist es sinnvoll, eine Kerosinsteuer für Flugzeuge zu erheben. Auch sind sämtliche Subventionen des Flugbetriebs zu streichen. Auf Autobahnen ist Tempo 130 einzuführen – viele weitere sinnvolle Maßnahmen könnten ergriffen werden. Die größte C02 Entlastung ergibt sich aber aus der Anwendung des Gesetzes der Massenproduktion für den öffentlichen Verkehr. Der Individualverkehr muss durch Steuererhöhungen verteuert werden, der öffentliche Nah-und Fernverkehr ist mit diesen Steuereinnahmen attraktiver zu gestalten. Das Gesetz der Massenproduktion sorgt dann dafür, dass sich die Fahrpreise pro Person für Busse und Bahnen erheblich reduzieren und die individuellen Verkehrsmittel an Bedeutung verlieren. Fahrradwege sind natürlich ebenfalls auszubauen um die Attraktivität des Fahrrads zu erhöhen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Udo Köpke

Buchpublikation: Die Vergötterung der Märkte

Udo Köpke

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