Zum Artikel »So wäre eine andere linke Partei möglich gewesen«
von Karsten Krampitz
In der Nr. 37 des FREITAG vom 14. September 2023
Lieber Karsten Krampitz!
Da steht auf Seite 4 ganz links (!) eine Spalte, von der man nicht so ganz genau weiß, ob es ein Kommentar sein soll zur aktuellen Situation der LINKEN, ein Aufruf zu mehr finanzieller Solidarität oder eine Information zum Vorgehen der KPÖ in Graz (und nur da!) - und dieser Artikel steht über einer Anzeige für ein Buch mit dem Titel »Die (Selbst)-zerstörung der Deutschen Linken«, ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Ich habe ja durchaus Verständnis für Deine offenkundige Enttäuschung, aber da geht einiges durcheinander. Fangen wir mit der KPÖ an: es sind nicht die Parlamentarier, die den Sozialfond in Graz speisen; die finanzieren mit einem guten Teil ihrer Diäten ihre Partei - genauso, wie das in der LINKEN auch ist. Nein: es sind die Amtsträger:innen (vergleichbar mit Bürgermeister:innen, Minister:innen usw.), die diesen Sozialfonds bedienen, aus dem auch fast immer nur 100 Euro oder wenig darüber bezahlt werden; es geht vielmehr darum, z.B. bei Mietrückständen etwas Zeit zu gewinnen, um dann aktiv zu werden und das Sozialamt einzuschalten oder andere Träger.
Das sollte man genauso wahrnehmen wie die Tatsache, dass es das in der LINKEN eben auch gibt; Beispiel der Sozialfond der Linksfraktion in der BVV Spandau, in den alle Sitzungsgelder der drei Bezirksverordneten einfließen, um daraus - eben auch mit jeweils 100 Euro - da unterstützen zu können, wo es dringend erforderlich und für Bürokratie keine Zeit ist.
Und die Übergabe von Charity-Schecks mag peinlich wirken, weil die öffentliche Übergabe danach aussieht, dass man vor allem selbst daraus Kapital schlagen will - aber das Problem dabei ist, dass wenn z.B. Abgeordnete aus ihrem Budget Kulturschaffende oder im Sozialen Aktive unterstützen, ohne diese »peinliche öffentliche Darstellung«, eben medial davon keine Kenntnis genommen wird und deshalb manche Menschen der Auffassung sind, sowas gäbe es gar nicht. Aber das stimmt so nicht!
Überdies ist das Peinliche ja eigentlich, dass es sowas überhaupt geben muss, obwohl es doch öffentliche, heißt staatliche Aufgabe wäre. Deshalb ist das Rechenbeispiel mit der Linksfraktion im Deutschen Bundestag auch völlig daneben: man mag ja darüber streiten können, ob die Diäten der Abgeordneten zu hoch sind oder nicht; wahr bleibt aber, dass 2,8 Millionen Euro in zwei Jahren gerechnet auf 13 Millionen von Armut Bedrohter in Deutschland (2021) gerade mal knapp 11 Cent pro Person ausmachen - pro Jahr!
Die Parteielite (der LINKEN) steckt in einer Krise? Ja, das ist so - wie bei allen anderen Parteien übrigens auch, und das ist keine gute Nachricht. Aber die Partei besteht nicht aus ihrer Elite, sondern aus ihren Mitgliedern, und da erlebe ich täglich, wie im ganz Kleinen Solidarität immer noch wirkt - nicht immer mit Geld, wo keins ist, kann man auch keins weitergeben. Man spricht auch nicht drüber, sonst wird man noch als »Gutmensch« diffamiert. Und den Rückgriff auf die 68er Spontis kann man sich auch sparen - ich bin jetzt 68 Jahre alt, aber habe mich immer als »69er« bezeichnet, weil meine Erfahrung mit deren 68ern immer schon wahr: viel heiße Luft und nichts dahinter.
Die andere linke Partei wäre nicht möglich gewesen - sie ist existent; man muss nur ein wenig tiefer einsteigen, ein bisschen besser recherchieren - und vor allem nicht auf jedes Trittbrett aufspringen, das gerade durch die Großstadt getrieben wird.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.