Ein Volk der Ehrenamtler

Der gute Wille Dann wollten die mich ja an die Kasse von einem Puppentheater setzen, aber da war ich dagegen. Es soll ja auch was irgendwie Nützliches für die ...

Dann wollten die mich ja an die Kasse von einem Puppentheater setzen, aber da war ich dagegen. Es soll ja auch was irgendwie Nützliches für die Allgemeinheit sein, habe ich gesagt, nicht gerade für die Menschheit als solche, ich will ja nicht übertreiben, aber an der Kasse! Da kann man sich ja nun nicht engagieren für das Gemeinwohl in dem Sinne. Ich bin da mal hin gewesen, zu dieser Freiwilligen-Agentur, weil sie jetzt sagen, man soll sich zur Verfügung stellen und seitdem ich in Rente bin und alle meine Nachbarinnen freiwillig in Ehrenämtern sind und nie Zeit haben, wollte ich auch so was machen.
Es ist ja nicht so, dass man noch große Ansprüche hat, aber wenigstens sollte es was für Behinderte oder unschuldig in Not Geratene oder so sein. Also, wirklich, die Kasse vom Puppentheater! Vorlesen, das könnte ich wohl, das konnte ich immer schon gut, das ist jetzt nicht so auffallend sozial, aber viele alte Leutchen würden sich bestimmt freuen, wenn ich zum Vorlesen käme, aber da hatten sie keinen Bedarf. Vielleicht ist das auch zu unsichtbar, denn sie sagen ja jetzt immer, die Ehrenamtlichen sind zu wenig sichtbar und deshalb wollten sie mich wahrscheinlich an diese Kasse setzen, damit alle sehen, das ist ein sichtbares Ehrenamt. Ich hatte aber auch den Eindruck, die hatten irgendwie nicht mehr so viel Nützliches für Engagierte übrig, was mich nicht wundern würde, denn die Ministerin hat ja gesagt, jeder Dritte macht schon irgendwas Nützliches, ohne, dass er dafür bezahlt wird und noch 20 Millionen mehr wollen gerne auch mal was Nützliches machen! Das stell´ ich mir ziemlich schrecklich vor, das sind dann ja fast 50 Millionen Leute, die sich auf diejenigen stürzen, die noch nichts Ehrenamtliches machen und mit denjenigen freiwillig was machen wollen, was die vielleicht aber gar nicht wollen! Das gibt ja ein furchtbares Gedränge beim Vorlesen und an der Kasse.
Deshalb bin ich mal hier in unserem Stadtteil beim Seniorentreff vorbei, man soll ja auch Eigeninitiative entwickeln und nicht immer warten, bis die Bedürftigen von selber zu einem kommen, und hab´ gefragt, ob die mich ehrenamtlich zum Kaffee kochen oder so haben wollen, das wäre ja nützlich und sichtbar und alte Leute trinken gerne ein Tässchen. Aber da wollten sie mich gleich da behalten als Teilnehmerin, weil sie schon sieben ehrenamtliche Kaffeekocherinnen hatten und nur zwei Teilnehmerinnen. Da habe ich mich dann freiwillig zum Kaffee trinken zur Verfügung gestellt, man muss guten Willen zeigen, sonst wird das ja nichts.

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden