Im Zug

Kehrseite II "Wissen Sie, 1945 ist der Sohn von meiner Schwester totgefahren worden. Vor meiner Haustür, die kannten ja keine Autos. Er ist reingekommen und hat ...

"Wissen Sie, 1945 ist der Sohn von meiner Schwester totgefahren worden. Vor meiner Haustür, die kannten ja keine Autos. Er ist reingekommen und hat den Jungen gebracht. Der schlief ja immer mit so halb offenen Augen, die hatte er jetzt auch. Und alles war voll Blut."

"Grauenhaft, ja."

"Arme, Beine, alles dran. Und am Kopf, habe ich gedacht, das kriegen die schon wieder hin."

"Grauenhaft."

"Und dann ist der Arzt gekommen und hat gesagt, ›den decken Sie mal zu, der ist tot.‹ Den habe ich gehasst."

"So was."

"Ich bin ins Krankenhaus gerannt mit dem Kind. War auch gleich einer da und der hat gesagt, ›der Junge ist tot‹. Da bin ich dann zusammengebrochen."

"Ja, verständlich, ja. Wissen Sie, als ich noch in Euskrichen wohnte, hatte ich einen kleinen Hund, einen Dackel. Und der ist mir auch überfahren worden. Vor meiner Haustür, am Heiligabend."

"Ja, schrecklich, ja."

"Von Bekannten, die hatten einen Mercedes mit so hohen Lichtern. Die haben den nicht gesehen. Der Arzt ist auch gleich gekommen, am Heilgabend."

"Ja, rührend, ja."

"Und hat auch gesagt, da ist nichts mehr zu machen."

"Traurig."

"Ja, ich meine, das war ja kein Mensch. Nicht wahr, aber trotzdem."

"Ja, sicher, trotzdem."


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