Verkehr im Alter

Es ist ja nicht so, dass man nicht manchmal noch Bedürfnisse hat. Man spricht nicht darüber, auch heutzutage nicht, wo sie sagen, dass man eigentlich ...

Es ist ja nicht so, dass man nicht manchmal noch Bedürfnisse hat. Man spricht nicht darüber, auch heutzutage nicht, wo sie sagen, dass man eigentlich immer und überall über alles offen reden soll. Früher war das völlig unmöglich, so was zu denken, geschweige denn, darüber zu sprechen! Da hatte man, wenn´s hoch kam, mal einen "Bekannten", mit dem man verkehrte, weil man im gleichen Anrecht saß. Und solch ein Bekannter musste dann übrig geblieben sein aus früheren Kreisen, in denen man mit seinem Mann verkehrt hatte, damit bloß keiner was dachte.

Heute soll man dazu stehen, aber im Französischkurs hat diese eine Nette neulich gesagt, sie ginge "mit einem Bekannten" in die Oper. Irgendwie klang dieses "Bekannten" genauso wie früher. Trotzdem konnte man sich aber fast was denken. Schließlich ist sie wirklich noch sehr gepflegt für ihr Alter, immer tipptopp, und warum denn nicht? Wo sie den nun her hat - keine Ahnung, man fragt ja nicht nach. Ich weiß nicht, wo die überhaupt Jemanden kennen lernen, meine Nachbarin hat auch einen, mit dem sie diesen Kurs für "Moderne Kunst im Alter" macht. Im Französischkurs haben wir nur einen einzigen Mann und der ist jung und obwohl man jetzt viel darüber liest, dass ältere Frauen sich jüngere Männer nehmen sollen, ist mir das nicht geheuer und wir sind da auch zu viele. Auf den Studienreisen sind auch immer nur Frauen oder alte Ehepaare und wenn mal ein einzelner Mann dabei ist, weiß man nicht, was mit dem ist. Denn ältere Männer sind ja eher nicht alleine und wenn, dann kann man davon ausgehen, dass da was nicht stimmt und sie wahrscheinlich Eigenarten haben. Bei Männern sieht man das übrigens sofort, ob die alleine sind oder ob sie eine Bekannte haben. Wenn sie eine haben, sind sie eindeutig gepflegter und achten mehr auf sich. Man merkt dann sofort, dass eine Frau dahinter steckt, wenn sie sich pflegen. Meistens behaupten sie, es wäre eine verwitwete Schwägerin oder die Cousine von ihrer verstorbenen Frau, obwohl Männer ihre Bedürfnisse eigentlich noch eher zugeben dürfen als wir Frauen, aber sie tun es genauso wenig, wenn sie in die Jahre kommen.

Die eine aus der Bridgegruppe, die immer noch sehr schick ist, die will jetzt eine Kontaktanzeige aufgeben, aber da haben wir alle abgeraten, obwohl es nur für die Oper sein soll. Man weiß doch, was da alles passieren kann und nicht, was dann dahintersteckt. Ich habe mir den Bekannten von der Netten aus dem Französischkurs mal angeguckt, also, ich weiß nicht, ob das der Richtige ist, der war so gepflegt, der hat bestimmt Jemanden. Und das muss man im Alter ja nun nicht mehr haben, auch wenn man noch Bedürfnisse hat, einen, der sich womöglich mehrere Bekannte leistet.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden