Eine Frau, deren Falten ähnlich beeindruckend von gelebtem Leben zeugen wie die des Ulrich Wickert, ist als Präsentatorin des Weltgeschehens im Fernsehen unvorstellbar. Frauen als Expertinnen oder Moderatorinnen verschwinden europaweit vom Bildschirm, sobald sie die 50 überschritten haben, und tauchen, wenn überhaupt, nur noch als gütige, häkelnde Oma oder krakeelende komische Alte à la Else Kling auf dem Bildschirm auf. Wie im richtigen Leben: Sie bilden zwar - je älter, desto gravierender - die Mehrheit der Bevölkerung, zu sagen haben sie wenig und zu sehen sind sie kaum, es sei denn, in der Blüte ihrer blonden Jugend.
Abgesehen von den offenbar Weisheit und Kompetenz ausstrahlenden männlichen Moderatoren reiferer Jahrgänge, sind aber auch die normalen Männer, sobald sie alt werden, nur noch als Klischees zu erfahren: Als unglaublich dynamische, wohlhabende "junge Alte" oder als pflegebedürftige Greise. Dabei gibt es keine Gruppe, die so heterogen ist, wie die, die als "älter" bezeichnet wird, und das macht es auch so schwierig, ihre Mediennutzung und das über sie vermittelte Bild zu analysieren. Wer mit 58 frohgemut und reiselustig in Rente geht, hat andere Interessen als diejenige, die mit 92 von 1.000 Mark Rente lebt, wer mit 62 Vorstandsvorsitzender wird, hat andere Bedürfnisse als die 83jährige Witwe, die ein Seniorentheater gründet. Befunde, die unter dem Motto "Überhört und übersehen? Ältere in Hörfunk und Fernsehen" ein internationaler Medienkongress in Köln präsentierte, den das "Kuratorium deutsche Altershilfe" (KDA) gemeinsam mit dem WDR, dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem NRW-Ministerium für Frauen, Familie und Gesundheit und der "Nederlands Platform Ouderen en Europa" zum UNO-Jahr der Senioren veranstaltete.
Vorgestellt wurden zahlreiche druckfrische Studien zur Mediennutzung Älterer und zum Altersbild der Medien. Fernsehen bildet die Realität älterer Menschen so ab, wie sie sich fernsehgerecht inszenieren lässt: Die Präsenzchance für über 60jährige steigt, wenn sie Prominente aus Kultur- und Showgeschäft sind oder sich durch Skurrilität vom Normalen unterscheiden. Insofern ist das Altersbild im Fernsehen nicht einmal altersspezifisch oder altersdiskriminierend, sondern fernsehspezifisch. Und gesellschaftsspezifisch: Denn dass nach einer inhaltsanalytischen BBC-Studie Expertinnen über 65 Jahre überhaupt nicht auf dem Bildschirm erscheinen und im Alter zwischen 50 und 64 Jahren eine kompetente Frau auf neun Männer kommt, entspricht den realen Machtverhältnissen: In Regierungen und Wirtschaft haben Männer ab 50 das Sagen. Die sind werbetechnisch eigentlich Senioren und als solche für die Wirtschaft, die das kommerzielle Fernsehen bezahlt, nicht vorhanden: Kein Werbetreibender zahlt in Deutschland für Sendungen, die von Menschen über 49 Jahre gesehen werden. Für SAT.1 beispielsweise ein echtes Problem, denn bekanntermaßen sind Der Bergdoktor oder das Glücksrad gerade wegen ihrer Beliebtheit bei den Oldies abgesetzt worden.
Grundsätzlich unterscheidet sich der Fernsehkonsum Älterer, was meistens (nicht immer, manche Forscher zählen ab 50, wieder andere ab 60 Jahren) ab 55 Jahren heißt, nicht von dem Jüngerer, sie schauen aber immerhin eine ganze Stunde länger am Tag. Und sie sind die Treuesten der Treuen: Über 71 Prozent der ZDF-Gucker sind über 50, bei der ARD sind es 67 Prozent und auch das "junge" RTL hat 45,5 Prozent über 50jährige Seher. Die Öffentlich-Rechtlichen könnten sich in werbefreien Sendezeiten den realen Lebensverhältnissen einer Gesellschaft mit 22 Prozent über 60jährigen widmen. Sie tun es aber nur in sehr geringem Maße, wobei, genau wie bei den Altersgrenzen, unklar bleibt, was "altersspezifische Themen" eigentlich sind. Diese jedenfalls machen nach einer qualitativen WDR-Studie gerade mal 1 Prozent aus und am Wochenende und in der Primetime verschwinden sie gleich ganz, genauso wie die Frauen.
Zwar behaupten die Öffentlich-Rechtlichen, alle relevanten Themen zu behandeln und fast alle Themen seien alters unabhängig relevant, interessant ist aber, wie sie vermittelt werden: Wieso meinen die Deutschen beispielsweise, mindestens jeder vierte Alte lebe pflegebedürftig im Heim, wenn es in Wirklichkeit gerade mal etwas über 5 Prozent sind? Vermittelte Realität? Es ist ARD und ZDF eher peinlich, dass sie bei den Älteren so beliebt sind, denn Alter an sich, so bestätigen Studien das, was man ohnehin weiß, wird in Deutschland negativ gesehen und mit "krank", "arm" und "einsam" assoziiert. Ganz anders übrigens als in den USA, wo die fitten und fidelen "jungen Alten" das Bild bestimmmen, oder in Japan, wo das Alter im TV nur Weisheit und Ehrfurcht abbildet -auch nicht realitätsnah.
Irgendwie muss es aber doch ein Interesse an den schwer definierbaren "altersspezifischen Themen" geben, denn sonst ließen sich die guten Quoten jener acht Sendungen in 122 öffentlich-rechtlichen und privaten Fernseh- und Hörfunkkanälen, die sich speziell an die "55 Plus" wenden, nicht erklären: Adis Stunde im West-Fernsehen, präsentiert vom 66jährigen ehemaligen Sportredakteur Adi Furler, gehört dazu, und die beliebteste Hörfunksendung Deutschlands ist In unserem Alter auf WDR 4 mit samstäglich 2 Millionen Hörerinnen und Hörern: Infosendungen generell sind bei Älteren beliebter als Unterhaltung. Gewarnt wurde auf der Tagung vor einer "Ghettoisierung" durch die vom KDA und Seniorenverbänden erhobenen Forderung nach mehr und klischeefreien Sendungen für Ältere - vor einer Gefahr freilich, die bei zunehmender Spartenfreudigkeit mit "Kinderkanal" oder eigenen Jugendwellen wie "EinsLive" nicht beschworen wird.
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