Wie der Esel trinkt

Afrika Kinderbuch soll Entwicklungsinitiative helfen

Die meisten deutschen Kinder, die die ersten Sätze dieses Buches lesen, werden das Mädchen Askalu ziemlich blöd finden: Askalu ist nämlich neidisch auf ihren kleinen Bruder, weil der zur Schule gehen darf und sie nicht. Schönes Leben wird mancher der Erst- und Zweitklässler denken, für die die Berliner Journalistin und ehemalige Freitag-Redakteurin Stefanie Christmann dieses Büchlein geschrieben hat. Was ist schließlich so toll an einer Schule?

Für die neunjährige Askalu ist es der größte Traum, "irgendwann Lehrerin zu werden. Sie hätte dann ein schönes Kleid an und würde vor der Klasse stehen und allen Kindern erklären, wie die Buchstaben heißen." Askalu lebt in Eritrea, das 30 Jahre Krieg hinter sich hat, der Vater ist tot, die Mutter ist eine der vielen Witwen mit vielen Kindern, die sich mühsam mit Gelegenheitsjobs ihren Lebensunterhalt verdienen, häufig gibt es nicht genug zu essen. Askalu muss die Geschwister hüten und das Wasser aus dem Flussbett holen. In einfachen, kurzen und verständlichen Sätzen beschreibt die Autorin, wie schwierig das Leben der eritreischen Kinder ist und berichtet von der Kargheit dieses Lebens ausschließlich aus der Sicht des kleinen Mädchens. Sie tut das unsentimental und ohne Mitleid heischenden Unterton. So, wie Askalu durch sie spricht und denkt, können sich auch hiesige Kinder ohne weiteres vorstellen, wie es ist, 15 Kilogramm schwere Wasserkanister zu tragen, wenn man Hunger hat und es furchtbar heiß ist und wie geheimnisvoll ein Telefon sein kann, wenn man noch nie eines gesehen hat.

Mit der Geschichte, wie Askalu erfährt, dass Frauen mit Kindern und ohne Mann einen Esel bekommen können und wie Askalu selber wegen des Esels zur "Frauenunion" geht, weil ihre Mutter sich nicht traut, erklärt Christmann eher beiläufig, aber anschaulich die Funktionsweise jener Entwicklungsinitiative, zu deren Gunsten sie dieses Buch geschrieben hat und an die sie auch die Erlöse weitergibt: Christmann hat vor sechs Jahren gemeinsam mit der eritreischen "Frauenunion" die "Eselinitiative" erfunden. Das Prinzip ist so simpel wie erfolgreich: Mit einem Esel samt Wasserbehälter, der aus deutschen Spenden finanziert wurde, wird Askalus Mutter zur Geschäftsfrau und kann alle ihre Kinder zur Schule schicken. Esel gibt es auf dem örtlichen Markt, mit einem Esel lässt sich problemlos Wasser holen und verkaufen und dieses Lebendkapital ist genügsam und zäh.

Viele Frauen sammeln zusätzlich Gras und verkaufen es als Futter, einige brauen mit dem Wasser braunes Bier aus Hirse, andere bauen Gemüse an, weil sie jetzt genug Wasser haben. Begehrt sind weibliche Esel, die zuverlässig schwanger werden: Für ein Eselsjunges können die Frauen zwei Ziegen kaufen und haben Milch für ihre Kinder. Die Kinder in Christmanns Buch reagieren übrigens auf den Esel glaubwürdig. Ihnen ist die ökonomische Bedeutung erst einmal egal: "Sie gucken zu, wie der Esel trinkt und streicheln ihn."

Natürlich ist das ein im besten Sinne aufklärendes Buch, es kommt aber ohne pädagogisch aufgesetzte Fingerzeige aus. Dazu tragen auch die einfachen schwarz-weiß-Zeichnungen von Stefani Schwingen bei, die den pragmatischen, gradlinigen Stil der Geschichte unterstreichen. Meine siebenjährige Testleserin war bei diesen Bildern höchst überrascht, dass es in Afrika Kinder gibt, die gar nicht richtig schwarz sind und keine dicken Bäuche haben, fand Askalu "ziemlich nett", blieb aber deren Schulwunsch gegenüber bis zuletzt skeptisch. Am Ende äußerte sie jedoch energisch den Wunsch nach einem eigenen Esel, mit dem sie Wasser holen könnte.

Stefanie Christmann: Askalu will einen Esel. Bilder von Stefani Schwingen, Horlemann-Verlag, Bad Honnef 2002, 64 S., 6,90 EUR

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