Ein Schritt vor, zwei zurück

UN-Reform Kein Wahlgeschenk für Rot-Grün aus New York

Den großen Durchbruch in der UNO muss Kanzler Schröder schuldig bleiben - es gibt vorläufig keinen ständigen deutschen Sitz im Sicherheitsrat. Die gern vorgetragene Begründung, für diesen Misserfolg seien die Veto-Mächte China und USA zuständig, verkennt vorsätzlich die Lage, denn die beiden haben sich seit Monaten auf der Zuschauertribüne eingerichtet. Die Strategie der G4-Staaten Brasilien, Indien, Japan und Deutschland war so angelegt, dass Peking und Washington zunächst ausgeklammert blieben. Stattdessen sollte ein mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewonnenes Grundsatzvotum in der Generalversammlung Amerikaner und Chinesen in die Defensive treiben. Der Beschluss hätte auf sechs zusätzliche permanente Sitze ohne Veto-Recht gelautet, darunter zwei für afrikanische Staaten. Danach sollten sich Länder für diese Sitze bewerben - darüber wäre wieder abgestimmt und dies am Ende als Reform ratifiziert worden.

Nun aber fehlen bei Schritt eins gerade die Afrikaner für die Zwei-Drittel-Mehrheit. Formal beharrt die Afrikanische Union auf ihrer komplett unrealistischen Position, es müsse für zwei ihrer Mitglieder Sitze mit Veto-Recht geben. Folglich wird die G4 auf die Abstimmung verzichten, so dass auf absehbare Zeit keine Reform des Sicherheitsrats in Sicht ist. Sehr bedauerlich, denn der G4-Vorschlag fand bisher in der Weltorganisation den größten Zuspruch.

Dass die afrikanischen Länder einen Zustand einfrieren, der ihren Kontinent nur mit marginaler Präsenz im Sicherheitsrat ausstattet, verwundert auf den ersten Blick. Immerhin hätte ein Schulterschluss mit der G4 zwei Sitze gebracht, wenn auch ohne Veto-Recht.

Hätten die G 4 unter diesen Umständen besser daran getan, einzelne afrikanische Staaten als Aspiranten für den Sicherheitsrat ins Gespräch zu bringen? Vielleicht Südafrika und Nigeria? Wohl kaum. Für diese Fall war das Veto der Araber programmiert. Aussichtsreicher schien es, der Afrikanischen Union die Auswahl selbst zu überlassen, auch wenn sie dazu nicht in der Lage war. Doch sollte der Gerechtigkeit halber erwähnt werden - auch für Europa, Asien oder Lateinamerika hätte ein analoges Verfahren versagt. Widerstand gegen Deutschland kommt bekanntlich aus Italien, Japan wird von Südkorea und China attackiert, Brasilien von Argentinien.

Weil diese regionalen Konfliktlinien äußerst robust sind, gibt es seit Jahren den Vorschlag, rotierende Mandate zu vergeben. Dies wäre auch für Europa bei Erhalt der ständigen Sitze Britanniens und Frankreichs durchaus vorstellbar - um nicht zu sagen realistisch. Zuletzt identifizierte sich gar EU-Außenkommissarin Ferrero-Waldner mit dieser Variante. Danach könnten die G4-Mächte die ersten fünf Jahre den jeweiligen Regionalsitz einnehmen, danach kämen andere aus der Region an die Reihe - der deutsche Außenminister lehnte dankend ab.

Von einer anderen Alternative will man in Berlin gleichfalls nichts hören. Den Italienern schwebt eine neue Kategorie von Sitzen vor, die jeweils für vier Jahre aus einem Regionalpool mit den Staaten zu besetzen wären, die den größten Beitrag zur Arbeit der UNO leisten - politisch, finanziell, militärisch. Aus Europa könnten etwa Deutschland, Polen, Italien, Spanien, die Türkei und die Ukraine für diesen Sitz kandidieren - Wiederwahl nicht ausgeschlossen.

Vielleicht aber ist der radikalste Vorschlag am Ende der einzig realistische: Zusätzlich zu den fünf vorhandenen ständigen Sitzen werden ein oder mehrere Regionalsitze für Lateinamerika, Asien, Afrika und Europa vergeben. Die gehen rotierend nicht nur an große, sondern auch an kleine Staaten. Oder noch besser: Die Region wählt eine gemeinsame Kommission, die einen Sitz im Sicherheitsrat übernimmt und keinem Einzelstaat verpflichtet ist. Der Unterschied zu den nichtständigen Sitzen, die es jetzt schon gibt, bestände in jedem Fall darin, dass die Region - nicht die einzelne Nation - vertreten wäre. Bei einem solchen Modell gäbe es vor allem einen Gewinner: die Mehrheit der UN-Mitglieder. Verlierer wären die G4 und damit die deutsche Regierung.


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