Das Exempel Chodorkowskij

Neuer Prozess In Moskau läuft der zweite Prozess gegen den ehemaligen Yukos-Chef und reichsten Mann Russlands, Michail Chodorkowskij. Ihm drohen jetzt weitere 20 Jahre Haftstrafe

Als der ehemalige Yukos-Chef Michail Chodorkowskij im schwarzen Mantel und Jeans zum Gericht geführt wurde, rief er laut „Posor!“ („Schande“), und jemand warf ihm ein paar Nelken zu. Ein paar Demonstranten riefen „Freiheit für politische Gefangene!“, damit war das politische Stilleben komplett. Denn im Gerichtssaal wurde der Ex-Chef des Ölkonzerns Yukos zusammen mit dem anderen Angeklagten, dem ehemaligen Yukos-Manager Platon Lebedew, schnell in den für die Angeklagten vorgesehenen Glaskäfig gesperrt, der eine Kontaktaufnahme mit Journalisten unmöglich macht. Chodorkowski lächelte. Es war unklar, ob er die Journalisten-Fragen durch die Glaswand verstand. Jedenfalls wurde die Öffentlichkeit in dieser Woche kurz nach Beginn des zweiten Chodorkowski-Prozesses aus dem Gerichtssaal hinaus komplimentiert. Das heißt 150 akkreditierte Journalisten können das Verfahren nur über drei Fernsehbild-Schirme verfolgen.

Die beiden Yukos-Manager Michail Chodorkowskij und Platon Lebedew wurden 2003 verhaftet und 2005 zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Bei dem zweiten Prozess gegen den Ex-Milliardär, dessen Ölkonzern vom Staat zerschlagen wurde, lautet die Anklage jetzt auf Unterschlagung und Geldwäsche. Die beiden Yukos-Manager sollen umgerechnet 20 Milliarden Euro unterschlagen und 17 Milliarden „gewaschen“ haben sollen. Als Strafe drohen ihnen 20 Jahre Lagerhaft. Die Anwälte rechnen damit, dass das Verfahren ein halbes Jahr dauert.

Keine Abbitte geleistet

Seine erste Haftstrafe saß Chodorkowskij bisher in einem Arbeitslager im sibirischen Bezirk Tschita ab. Von seinen Unterstützern unter den russischen Liberalen machte sich niemand ernstlich Hoffnung auf eine Begnadigung wegen guter Führung. Zu deutlich ist, dass der Kreml an Chodorkwoskij ein politisches Exempel statuiert. Der 45-Jährige, der in seiner Jugend Komsomol-Sekretär war und 1987 zu den ersten Unternehmern der Sowjetunion gehörte, sponserte 2003 Oppositionsparteien, was Putin dem damals reichsten Mann Russlands sehr übel nahm. Weil Chodorkowskij bisher keine Abbitte leistete, soll er nun offenbar die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Zuletzt war der Ex-Milliardär mit der Anklage eines Mitgefangenen konfrontiert, der ihn wegen angeblicher sexueller Belästigungen angezeigt hatte. Ein Moskauer Stadtgericht wies die Klage jedoch zurück.

Wladimir Putin, der in Russland immer noch die Fäden zieht, hat gegenüber Chodorkowskij von Anfang an einen so scharfen Ton geführt, so dass eine Begnadigung jetzt fast wie ein Unrechts-Eingeständnis wirken müsste. Präsident Dmitri Medwedjew, der sich immer wieder gegen „Rechtsnihilismus“ und für persönliche Freiheitsrechte ausgesprochen hatte, fand bisher an Putins hartem Kurs offenbar Gefallen. Alle Spekulationen, zwischen Putin und Medwedew könne es irgendwann zum Bruch kommen, haben sich bisher nicht bewahrheitet.
Die Reaktion der russischen Öffentlichkeit ist zwiespältig. Während die Anhänger von Putin froh sind, dass wenigstens einer der „Räuber“ aus den wilden neunziger Jahren, als das Staatseigentum für wenig Geld verscherbelt und verramscht wurde, hinter Gittern sitzt, argumentieren die russischen Liberalen, so schwer könnten die Vorwürfe gegen Chodorkowskij gar nicht wiegen, weil in den neunziger Jahren praktisch alle Unternehmer auf die ein oder andere Art mit dem Gesetz in Konflikt gerieten.

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