Filme aus einem gespaltenen Land

Ukraine/Odessa/Donbass Bericht vom ersten Tag des Ukraine-Film-Festivals in Berlin

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In Berlin-Marienfelde startete am Donnerstag das erste deutsche Festival mit Dokumentarfilmen von ukrainischen, russischen und deutschen Regisseuren zum Bürgerkrieg in der Ukraine.

Der erste Tag des Ukraine-Film-Festivals "Demokratie im Feuer" war bewegend. Er begann mit einer Skype-Schaltung in eine Küche nach Odessa. Dort hatten sich Angehörige von Menschen versammelt, die im brennenden Gewerkschaftshaus am 2. Mai 2014 umkamen. Im schummrigen Licht der Küchenlampe berichteten die Angehörigen, dass sie nach wie vor in Angst vor dem Rechten Sektor leben. Es sei unerträglich dass Angehörige der Brand-Opfer vom Gewerkschaftshaus heute bei den Gerichtsprozessen gegen Anti-Maidan-Aktivisten von maskierten Anhängern des Rechten Sektors bedroht werden.

Am ersten Festival-Tag wurden zwei Filme gezeigt, "Ukrainian Agony" von dem in Donezk lebenden, deutschen Reporter Marc Baltamai und "Die Spaltung" von der Moskauer Regisseurin Olga Borodina. Was ich erstaunlich fand: Beide Filme zeigen sehr viel Leid und sind doch nicht ermüdend. Im Film „Agony“ berührte mich vor Allem das längere Interview mit drei kleinen Mädchen, die ohne Scheu erzählen, wie sie die Bombardements der ukrainischen Armee in Donezk erlebten.

Beeindruckend fand ich, dass es der Regisseurin von "Die Spaltung" in Odessa gelang, nicht nur Maidan-Gegner sondern auch Maidan-Anhänger zu längeren Statements vor die Kamera zu holen. Man wird auch Zeuge von heftigen Wortwechseln zwischen beiden Lagern auf dem Kulikow-Platz vor dem Gewerkschaftshaus in Odessa.

Der Borodina-Film ist voller eindrucksvoller Szenen. So wird gezeigt, wie Maidan-Anhänger ein Bau-Gerüst zum brennenden Gewerkschaftshaus schleppen, um die in den oberen Etagen eingeschlossenen Anti-Maidanisten zu retten. Er zeigt aber auch, dass Hunderte Rechte vor dem brennenden Gebäude stehen und – die rechte Faust auf das Herz gedrückt – die ukrainische Nationalhymne schmettern, so als ob im Gewerkschaftshaus gerade das Böse an sich verbrannt wird und die Ukraine nur ohne „dieses Böse“ lebensfähig ist. Das erinnert an faschistische Rituale.

Auch im „Agony“-Film kommt die "andere Seite" zur Wort. Interviewt werden zwei junge ukrainische Soldaten, die Kriegsgefangene der „Donezk-Streitkräfte“ wurden. Man erfährt, dass die beiden Jungs getäuscht wurden. Man sagte ihnen, sie müssten an einer „Militärübung“ teilnehmen. Dass sie an die Front geschickt werden, erzählte man ihnen nicht. Bartalmai zeigt dann die Übergabe der beiden Kriegsgefangenen an ihre Mütter. Zu der Begegnung unter Tränen hört man im Off die Worte des Reporters, auch unter den ukrainischen Soldaten gäbe es „gute Jungs“ und er hoffe sehr, dass die Beiden nicht wieder an die Front kommen.

Beide Filme sind historische Zeitdokumente, die einen tiefen Einblick in die Lebensrealität der Ukraine und der "Volksrepubliken" geben. Sie haben ein großes Publikum verdient.

Die beiden Regisseure stellten ihre Arbeiten am Donnerstag persönlich vor. Am Rande des Festivals führten die Fernsehkanäle ARD und Rossija 1 Interviews mit den Filmregisseuren.

Heute, Freitagabend, um 17 Uhr geht es weiter mit drei Filmen, «Die brennenden Herzen» (Anna Sinyukova, Odessa), "Die Brandwunde" (Arkadiy Mamontov, Moskau) und „Lauffeuer“ (Ulrich Heyden/Marco Benson, Moskau/Berlin). Am Sonnabend ab 13 Uhr ist dann die Siegerehrung und im Anschluss eine Pressekonferenz.

Das Festival "Demokratie im Feuer" ist die erste Veranstaltung in Deutschland, auf der Dokumentar-Filme aus dem ukrainischen Bürgerkrieg gezeigt werden. Das Festival findet statt vom 17. bis 19. Dezember 2015 in den Räumen des Verlagshauses EMA European Media Agency GmbH in Berlin-Marienfelde, Großbeerenstr 186-192, team@prizm-film.info, Festival-Website: http://prizm-film.info, Tel.: +49 30 269470. Zur Orientierung: Der Eingang zum Festival befindet sich rechts von einem großen Holz-Zaun mit Figuren in slawischem Stil und ist durch ein Standplakat gekennzeichnet. Veranstaltet wird das Film-Festival von der Vereinigung "Globale Rechte friedlicher Menschen" und "Frauen gegen den Krieg Berlin-Brandenburg". Gezeigt werden fünf Filme von ukrainischen, deutschen und russischen Regisseuren, die bisher nicht auf deutschen Film-Festivals oder im deutschen Fernsehen zu sehen waren. Festival-Organisator Oleg Musyka war mit mehreren Problemen konfrontiert. Ein Film von der Gruppe 2. Mai aus Odessa, "2. Mai ohne Mythen", wurde von seinen Regisseuren zurückgezogen. Gar nicht einfach war es auch mit dem Veranstaltungsraum. Wie Musyka berichtete, wurden zwei Zusagen - vom Berliner Kino Babylon und vom "Haus der Demokratie" - zurückgezogen. Die Leitung des "Hauses der Demokratie" erklärte in einem Schreiben, das geplante Film-Festival widerspreche den Grundsätzen des Hauses (http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:QeTEY0NTW8gJ:www.hausderdemokratie.de/artikel/stiftung.php4+&cd=2&hl=de&ct=clnk&gl=de) .

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