Gerüchte und Angst in Moskau

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Nachdem am Sonnabend 7.000 Fans des Fußballclubs Spartak auf dem Manege-Platz direkt vor dem Kreml eine nicht genehmigte Protestkundgebung zum Tod des Spartak-Fans Jegor Swiridow abgehalten haben, die dann von der Omon-Polizei aufgelöst wurde, gibt es im russischen Internet nun Gerüchte über bevorstehende größere Auseinandersetzungen zwischen Kaukasiern und Russen. In Moskauer Stadtteilen kam es in den letzten Tagen zu weiteren Angriffen auf Gastarbeiter aber auch auf junge russische Männer, in drei Fällen mit tödlichem Ausgang.

Womit alles anfing: Jegor Swiridow, der dem radikalen Fan-Club Union angehört haben soll, starb am 6. Dezember während einer Schlägerei zwischen russischen und kaukasischen Jugendlichen durch den Schuss aus einer Gaspistole. Der Schütze, Aslan Tscherkesow, aus dem nordkaukasischen Naltschik, erklärte, er habe in Notwehr gehandelt. Tscherkesow sitzt nun zusammen mit zwei anderen an der Schlägerei beteiligten Kaukasiern in Untersuchungshaft. Die Spartak-Fans sind empört, weil mehrere kaukasische Beteiligte der Schlägerei von der Polizei zunächst verhaftet und dann freigelassen wurden. Russlands Präsident hat die strenge Bestrafung der Fußball-Randalierer vom Sonnabend angekündigt. Doch die 65 Personen, die während der Randale auf dem Manege-Platz verhaftet wurden, ließ man am Sonntag wieder frei. Ungeachtet der Tatsache, dass die Randalierer vom Sonnabend Parolen wie „Russland den Russen“ brüllten, teilweise den Hitler-Gruß zeigten und mehrere bekannte Führer rechtsradikaler Organisationen auf dem Manege-Platz gesehen wurden, erklärte der russische Innenminister Raschid Nurgalijew, an der Randale der Fußballfans vor dem Kreml hätten sich „Linksradikale“ beteiligt. Kein Wort von den Rechtsradikalen.

Die Moskauer haben nun Angst vor einem Ausufern der Gewalt zwischen Kaukasiern und Russen, wobei die öffentliche Meinung gegen die Kaukasier ist. Viele Moskauer empfinden es als eine Zumutung, dass in den letzten Jahren zwanzig Jahren so viele Kaukasier und Gastarbeiter aus Zentralasien in die Stadt gezogen sind. Statt einer sachlichen Debatte über mögliche Fehler in der Migrationspolitik gibt es nun Hass und Angst.

Komisch. Auf die Idee einen runden Tisch zu organisieren, ist bisher Niemand gekommen. Dabei könnten weitere Konflikte durch Gespräche zwischen Vertretern der Gastarbeiter, der nationalen Minderheiten, die schon seit Sowjetzeiten in Moskau leben, und den Vertretern der russischen Zivilgesellschaft und der Behörden verhindert werden.

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