Moskau bleibt vorerst hart

Nervenkrieg zwischen Moskau und Kiew Wer glaubte, der ukrainisch-russische Gasstreit sei wie 2006 nach wenigen Tagen beigelegt, sieht sich getäuscht. Wer wird, wer muss nachgeben?

Beim Gas-Streit zwischen Moskau und Kiew mischen sich wirtschaftliche mit politischen Interessen. Die Ukraine balanciert dank der Weltfinanzkrise am Rande des Staatsbankrotts, Russland will die pro-georgische Haltung des Präsidenten Juschtschenko während der Kaukasus-Krieges im August nicht ungestraft lassen. So ist die Feindseligkeit auf beiden Seiten sehr viel mehr als 2006 dazu angetan, einen befristeten Kompromiss zu verhindern.

Nur noch zum Marktpreis

In der Moskauer Gazprom-Zentrale herrscht eine eisige Atmosphäre. Wenn Kiew den „Vorzugspreis“ von 250 Dollar für Tausend Kubikmeter Gas ablehne – das ist weniger als Russland von seinen Abnehmern in der EU verlangt -, werde man an die Ukraine jetzt nur noch Gas zum „Marktpreis“ von 418 Dollar liefern, schnarrt Alexej Miller, der Chef des halbstaatlichen Gazprom-Konzerns, ungerührt vor den Fernsehkameras. Der ukrainische Partner Naftogaz wolle aber nur 201 Dollar bezahlen. Offenbar gäbe es in der Ukraine politische Kräfte, „die sehr daran interessiert sind, dass es zwischen unseren beiden Ländern einen Gas-Konflikt gibt.“ Russland sei hingegen daran gelegen, dass die Moskau freundlichen Kräfte in der Ukraine Oberwasser bekommen, hätte Miller ehrlicher Weise ergänzen müssen. Denn der Kreml hofft auf Premieministerin Julia Timoschenko, die bei den zwischen Moskau und Kiew strittigen Fragen wie der NATO-Kandidatur und der einseitigen Unabhängigkeitserklärung Südossetiens einen versöhnlicheren Ton anschlug als Präsident Juschtschenko.

Herrenloses Gas

Bei Ländern wie Belarus und Armenien zeigt sich Gazprom bei den Preisen noch relativ konziliant, nicht jedoch gegenüber einer Ukraine, die dem georgischen Staatschef Saakaschwili Panzer und Raketen liefert. Um so unerbittlicher verlangt Moskau nun die Begleichung der Gas-Schulden und einen höheren Preis, der in Richtung Weltmarkt-Niveau zielt. In einer Depesche an Gazprom hatte der ukrainische Gaskonzern Naftogaz zur Jahreswende zu verstehen gegeben, da es für 2009 keinen Vertrag gebe, sei das von Russland in das ukrainische Transitnetz eingespeiste Gas „herrenlos“. Eine Floskel, die andeutet, dass man wie 2006 die Gasmengen für Europa in die eigenen Trassen umzuleiten gedenke. Was im Augenblick offenbar passiert, so dass sich Gazprom nicht zu Unrecht erpresst fühlt. Kiew muss sich allerdings darüber im klaren sein – und vor allem die Präsident Juschtschenko politisch nahestehende Regierung in Warschau wird das mit viel Bedauern konstatieren –, dass derartige Eskapaden das beste Argument für einen beschleunigten Ausbau der deutsch-russischen Ostsee-Pipeline sind.

Russische Machtpolitik oder freie Marktwirtschaft?

Moskau erklärt ungeachtet der unverkennbaren politischen Aufladung des Konflikts, wie vor drei Jahren gehe es auch diesmal beim Gas-Streit mit Kiew um nichts außer Marktwirtschaft. Die dortige Regierung beschwört dagegen, man erlebe „russische Machtpolitik“ und so doch so „machtlos“. Eine Umschreibung für den Umstand, dass der ukrainische Staat über leere Kassen herrscht und beim besten Willen nicht weiß, woher die 1,8 Milliarden Euro kommen sollten, um die Gasschulden für 2008 zu bezahlen. Die Ukraine wurde von der Finanzkrise hart getroffen und musste vom IWF schon einen Kredit über 14,5 Milliarden Dollar aufnehmen, um die eigene Wirtschaft zu stabilisieren. Wer also diesen Nervenkrieg gewinnt, wird sich nicht über den letztlich vereinbarten Preis, sondern durch das Meinungsbild in der europäischen Öffentlichkeit entscheiden, die derzeit von Moskau und Kiew gleichermaßen mit Argumenten versorgt wird. Eine lange Hängepartie kann sich keine Seite leisten. Das würde dem Image beider Länder gegenüber der EU über Gebühr schaden.

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