Putin weiht Denkmal zu politischem Terror ein

Geschichtsaufarbeitung Das Denkmal für die Opfer der Repression in der Sowjetzeit ist nur für diejenigen eine Überraschung, die Putin dämonisieren

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Am 30. Oktober wurde im Beisein von Präsident Putin und Patriarch Kirill im Zentrum von Moskau ein großes Denkmal für die Opfer der Repression eingeweiht (Video). Am 30. Oktober wird in Russland traditionell den Opfer des Terrors in der Sowjetzeit gedacht. Bei der Einweihung des neuen Denkmals sagte der russische Präsident, "ganze Bevölkerungsschichten und Völker" seien in der sowjetischen Zeit mit "ausgedachten und absurden Beschuldigungen" verfolgt worden. Die Repression sei "ein Schlag gegen die Wurzeln, die Kultur und das Selbstbewusstsein unseres Volkes" gewesen. Auf Englisch nachlesen kann man die Rede hier.

Der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kirill, sprach während der Einweihung des Denkmals von "Fehlern unserer Vorfahren". Der Grund für die Repression sei gewesen, dass "die Moral der Ideologie untergeordnet wurde". Die Opfer der Repression seien "keine gesichtslose Masse", sondern es seien Menschen "an deren Namen wir uns erinnern müssen".

Die deutschen Medien sind noch unsicher, wie sie die Denkmal-Einweihung "einordnen" sollen. Die Zeremonie passt schlecht in das seit Jahren gepflegte Feindbild Putin. Kaum verwunderlich ist, dass es Ratschläge aus Deutschland gibt, wie eine richtige Geschichtsaufarbeitung auszusehen hat. Putin müsse noch einen Schritt weiter gehen und Stalin persönlich verdammen, fordern deutsche Kommentatoren. Doch das geht an der russischen Geschichte vorbei. Unter der Führung von Stalin besiegte die Sowjetunion die faschistische Wehrmacht und ihre Verbündeten, rettete also Russland vor deutscher Versklavung. Wie soll man das nicht anerkennen?

Einige Kommentatoren tun so, als ob die Rede von Putin bei der Denkmal-Einweihung vor zwei Tagen ganz neue Einsichten enthalte. Doch das ist Unsinn. Schon vor zehn Jahren, am 30. Oktober 2007, fand der russische Präsident auf dem ehemaligen Erschießungsplatz in Butowo, am südlichen Stadtrand von Moskau deutliche Worte. Die Opfer des Terrors seien oftmals "die besten der Nation" gewesen, erklärte Putin damals. Dass die deutsche Presse diese Worte überhörte, heißt nicht, dass sie nicht gesagt wurden.

Die deutlichen Worten zum Terror während der Stalin-Zeit werden von vielen russischen Liberalen und in der großstädtischen Mittelschicht positiv anerkannt. Der Präsident riskiert aber mit seinen Worten Unverständnis in der ärmeren russischen Provinz, wo sich viele Menschen eine "harte Hand" gegen die Korruption wünschen. Und für eine "harte Hand" steht in Russland nach wie vor Stalin.

Wladimir Putin vereint in seiner Person beide Seiten Russlands, die "harte Hand" und den Modernisierer und er ist damit auch derjenige, der das russische Volk und seine verschiedenen Schichten und Gruppen vereint.

Es ist einfach vom Sofa in Deutschland aus Putins Haltung als unglaubwürdig zu brandmarken. Doch vor dem Hintergrund der russischen Geschichte und vor dem Hintergrund einer gescheiterten Wirtschafts-Schocktherapie in den 1990er Jahren, sind die Positionen Putins logisch und nachvollziehbar. Die Mehrheit der Russen vertraut Wladimir Putin, selbst wenn man nicht alle seine Schritte befürwortet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden