Ukraine: Wurde Irina Bereschnaja ermordet?

Schleppende Ermittlungen Die bekannte ukrainische Menschenrechtlerin Irina Bereschnaja kam am 5. August in Kroatien bei einem Autounfall ums Leben. Die Mutter der Toten hält Anschlag für möglich.

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Am 5. August 2017, nachts um 1:30, starb die ukrainische Menschenrechtlerin Irina Bereschna bei einem Autounfall in Kroatien, auf der Straße zwischen den Orten Maslenica und Posedarje. Nach der offiziellen Version verlor der Fahrer des Mercedes die Kontrolle über das Auto und der Wagen knallte in hohem Tempo gegen ein Pfahl.

Nicht nur Irina, auch der Fahrer des Wagens - ein 38 Jahre alter Bulgare - wurde bei dem Unglück getötet berichtete ein kroatisches Internetportal. Die achtjährige Tochter der Menschenrechtlerin, Daniela, saß in einem Kindersitz und wurde nur leicht verletzt. Sie lebt jetzt bei ihrem Vater.

Die Beerdigungs-Zeremonie für Irina Bereschnaja wurde am 10. August in einer Kirche des Kiewer Petscherska Lavra-Klosters durchgeführt. Zu der Beerdigung kamen unter anderen regierungskritische Journalisten und Politiker, wie Nestor Schufritsch, Anna German und Igor Guschwa.

Elena Bereschnaja, die Mutter von Irina, erzählt nun in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Interview mit dem ukrainischen Internetportal 2000.ua über das Leben ihrer Tochter, über ihre Prinzipienfestigkeit und Ehrlichtkeit. Die Mutter erzählt auch, dass sie an die offizielle Version des Unglücks nicht glaubt. Die Katastrophe sei wahrscheinlich absichtlich herbeigeführt worden. Sie wundere sich über die schleppenden Ermittlungen. Wenn der Fahrer einen Herzinfarkt hatte, dann hätte das längst festgestellt werden können. Im Interview sagt die Mutter der Toten: "Ich bin sehr verwundert und bestürzt, dass die Verkehrspolizei von Sadar bis heute nicht alle Dokumente über das Unglück zusammengetragen hat und dass sie den Fall bis heute nicht an die Staatsanwaltschaft Kroatiens übergeben hat, die sich mit der Aufklärung beschäftigten muss."

Irina Bereschnaja war bis zum Staatsstreich in Kiew Abgeordnete der Partei der Regionen. Ab 2014 arbeitete die ausgebildete Juristin als Menschenrechtlerin. Gemeinsam mit ihrer Mutter machte sie eine erfolgreiche Unterschriftensammlung gegen die Umbenennung von Straßen in Kiew, welche den Namen von bekannten ukrainischen Hitler-Kollaborateuren tragen sollen. Zusammen mit ihrer Mutter klagte sie erfolgreich vor einem Kiewer Gericht gegen die Nichtzahlung von Sozialleistungen, welche die ukrainischen Behörden den Menschen in Lugansk und Donezk verweigern.

Den ukrainischen Nationalisten war Irina ein Dorn im Auge. Sie trat mit kritischen Beiträgen häufig in russischen Talk-Shows auf und erreichte auf diese Weise Millionen russischsprachige Ukrainer.

Ich lernte Irina am 27. September 2016 auf einer Menschenrechtskonferenz der OSZE in Warschau kennen, wo wir gemeinsam in einer Arbeitsgruppe saßen und über die Situation in der Ukraine berichteten. Danach trafen wir uns noch ein paarmal. Wir überlegten, gemeinsam nach Deutschland zu fahren und dort über die Lage in der Ukraine zu berichten.

Mich erschüttert und besorgt der Tod von Irina. Denn die Liste der unter ungeklärten Umständen getöteten Oppositionellen in der Ukraine ist lang. Der Fraktionsvorsitzende der Partei der Regionen, Michail Tschetschetow, stürzte sich angeblich selbst im Februar 2015 aus einem Fenster in Kiew. Der "Russland-freundliche" Schriftsteller Oles Busina wurde im April 2015 erschossen. Der Tat verdächtige Rechtsradikale wurden nach kurzer Haft freigelassen. Der Journalist Pawel Scheremet, ein westlich orientierter Liberaler, wurde im Juli 2016 von einer Autobombe getötet. Und das sind nur die bekanntesten, bisher nicht aufgeklärten Fälle.

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