Ukrainischer Schandpfahl

Meinungsfreiheit Die Bundestagsabgeordneten der Partei "Die Linke" traktieren die Bundesregierung mit gut recherchierten Fragen zur Meinungsfreiheit in der Ukraine

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Über "Die Linke" wird viel gelästert, teilweise zu Recht. Oft scheint mir aber, dass diese Kritik auch aus einer Konsumentenhaltung kommt. Man erwartet von einer Partei Wunder und ist selbst nicht aktiv. Außerdem wird bei einer pauschalen Kritik an dieser Partei übersehen, welch wertvolle Arbeit einzelne Abgeordnete und deren Mitarbeiter leisten.

Die Linke hat bereits mehrere Anfragen zur Verfolgung Andersdenkender in der Ukraine und zu der berüchtigten ukrainischen Website "Mirotworets"("Friedensstifter") an die Bundesregierung gestellt.

In der neuen, hier verlinkten Anfrage vom 7. Juni 2019, verlangen die Bundestagsabgeordneten der Partei "Die Linke" eine klare Antwort, was die Bundesregierung bisher gegen die Website "Mirotworez" unternommen hat.

In der Formulierung der Fragen steckt enorm viel Recherche. Ich vermute, die Fragensteller wissen über die illegalen Praktiken von "Mirotworets" schon wesentlich mehr als die Bundesregierung und deren Mitarbeiter.

Was macht "Mirotworets"? Diese ukrainische Website, die nach Aussage des Staatsministers für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, auf einem Server in Kanadagehostet ist, sammelt trotz internationaler Proteste ungestört weiter die Adressen von sogenannten "Feinden der Ukraine", liefert diese Adressen an die ukrainischen Grenzschutzbehörden und veröffentlicht sie im Netz mit Zusätzen wie "Separatist" oder "Anhänger der Föderalisierung der Ukraine".

Seit November 2018 ist bei "Mirotworets" auch der ehemalige deutsche Bundeskanzler, Gerhard Schröder, gelistet.

Mirotworets ist soetwas wie ein ukrainischer Schandpfahl, an den zum Anspucken, Auspeitschen und Erschießen alle gefesselt werden, die eine andere Meinung haben.

Nur wenige Monate nach dem Start von "Mirotworets" gab es zwei Todesopfer. Am 15. April 2015 wurde vor seiner Wohnung der Abgeordnete der "Partei der Regionen", Oleg Kalaschnikow, erschossen.

Einen Tag später wurde vor seinem Haus der bekannte ukrainische Journalist und Schriftsteller Oles Busina - vermutlich von Rechtsradikalen- erschossen. Am 13. und 14. April 2015 hatte "Mirotworets" die Adressen von Kalaschnikow und Busina veröffentlicht.

Im Januar 2015 waren auf Mirotworets bereits 9.000 Personen - davon 4.000 Journalisten - gelistet.

Auf der Website gelistet waren auch Korrespondenten von Der Spiegel, Reuters und anderen international bekannten Medien.

Der Spiegel-Korrespondent Christian Neef, der selbst auf der Mirotworets-Liste stand, wagte 2016 öffentliche Kritik. Das war beachtlich, denn der Großteil der deutschen Medien breitete den Mantel des Schweigens über die Verfolgung von Andersdenkenden in der Ukraine.

Dass die Arbeit von "Mirotworets" demokratischen Grundsätzen widerspricht, hat die Bundesregierung längst eingestanden, bloß gehandelt hat Berlin bisher nicht. Das liegt auch daran, dass es keinen öffentlichen Druck auf die Bundesregierung gibt, die Ungemach von der Regierung in Kiew fernhalten will.

Man muss kein Freund von Gerhard Schröder sein, aber die Augen vor der Mirotworets-Hetzjagd zu verschließen und zu schweigen, ist nicht nur unmoralisch sondern auch unklug. Mirotworets-Methoden könnten auch in Deutschland Einzug halten.

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