Vergisst Moskau seine Geschichte?

Industrieproduktion Dort wo in Moskau einst 150.000 Lastwagen im Jahr produziert wurden, entstehen jetzt Wohnhäuser

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In Berlin stand einmal der Palast der Republik und in Moskau stand einmal die Lastwagen-Fabrik SIL (Sawod imeni Lichatschowа). Beide Bauwerke hatten Symbolcharakter für ihr Land. Beide Bauwerke gibt es nicht mehr.
Doch das soll uns nicht stören, noch einmal zurückzublicken. Was war das für eine Fabrik, SIL? Auf einer Riesenfläche von 275 Hektar stellten 70.000 Menschen in drei Schichten Lastwagen her, in den 1950er Jahren 150.000 im Jahr.
Daran, dass es im Herzen Moskaus mal einen gut arbeitenden Industriegiganten gab, erinnert heute nur noch die Büste des berühmten Fabrik-Direktors, Iwan Lichatschow. Er leitet die 1916 gegründete Fabrik ab 1926.
Unter Lichatschow wurde bei SIL die Fließbandarbeit eingeführt. Damit war die Fabrik von der Produktionsmethode her Vorreiter in der Sowjetunion.
An einem Tag im Jahr 1950 wurde der Fabrikdirektor in den Kreml gerufen, wo er seine Kündigung erhielt. Nach einigen Quellen war der Grund der Kündigung, dass bei SIL angeblich sehr viele Juden arbeiteten.
Nun hat der Fernsehjournalist Wladimir Rajewski für "Moskva 24" einen interessanten Film über die berühmte Lastwagen-Fabrik gemacht. Ein wehmütiger Ton durchzieht den Streifen und richtige Freude über die neuen Wohnhochhäuser, die jetzt auf dem Fabrikgelände entstehen, will nicht aufkommen. Vergisst auch Moskau seine Geschichte?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden