Wachsender Antisemitismus in der Ukraine

NYT-Artikel Friedhofsschändungen, "Schlagt die Juden"-Rufe und Verherrlichung von Nazi-Kollaborateuren. Was sagt Deutschland?

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In der New York Times erschien heute ein warnender Artikel https://www.nytimes.com/2017/04/11/opinion/what-ukraines-jews-fear.html über den zunehmenden Anti-Semitismus in der Ukraine. Der Autor ist Eduard Dolinsky, Leiter des Ukrainischen Jüdischen Komitees. Ich empfehle den Artikel aufmerksam bis Ende durchzulesen. Denn was dort steht, verschweigen uns die großen deutschen Medien.
Warum werden uns die Informationen über antisemitische Vorfälle in der Ukraine, die Schändung jüdischer Friedhöfe, die Demo-Rufe „Schlagt die Juden!“ und die Verherrlichung der Nazi-Kollaborateure Stepan Bandera (Führer der Organisation ukrainischer Nationalisten, OUN) und Roman Schuchewitsch (Führer der Ukrainischen Aufstandsarmee, UPA) vorenthalten? Offenbar gilt in Deutschland die Regel ´Keine Kritik an der Ukraine. Das kann nur Putin nützen.´
Doch diese Regel wird von Eduard Dolinsky in Frage gestellt. Er sieht eine reale Gefahr für die 300.000 Juden in der Ukraine. Der Autor des Artikels in der NYT wirft der ukrainischen Regierung Opportunismus gegenüber der Verherrlichung von Nazi-Kollaborateuren und Juden-Schlächtern vor. Die Regierung agiere opportunistisch – so Dolinsky -, weil sie Angst vor einem Gegenschlag der Ultranationalisten habe.
Es mag ja sein, dass die ukrainische Regierung Angst hat. Aber Deutschland, das Land welches den Holocaust gründlich aufgearbeitet hat, darf keine Angst haben. Wir haben eine historische Verantwortung. Von sechs Millionen Juden wurden von den Nazis 1,6 Millionen in der Ukraine ermordet. Ukrainische Hilfspolizisten und Nationalisten waren an diesen Morden beteiligt. Dass die Nazi-Kollaborateure heute in der Ukraine wieder verherrlicht werden, müssen wir nicht nur kritisieren sondern anprangern.
Die warnenden Stimmen aus der internationalen jüdischen Community mehren sich. Die OUN war "eine zutiefst antisemitische Organisation" schreibt Efraim Zuroff, Leiter des israelischen Simon-Wiesenthal-Zentrums in einem kürzlich in der Jerusalem Post veröffentlichten Beitrag. http://www.jpost.com/Opinion/The-fight-for-historical-truth-about-the-Holocaust-in-Ukraine-485696 70 Wissenschaftler aus aller Welt warnten in einem Offenen Brief vor dem wachsenden Antisemitismus in der Ukraine https://krytyka.com/en/articles/open-letter-scholars-and-experts-ukraine-re-so-called-anti-communist-law.

Es gibt nun schon mehrere Artikel und Aufrufe in englischer Sprache. Wann endlich werde ich einen Aufruf von Wissenschaftlern, Politikern und besorgter Zeitgenossen in deutscher Sprache lesen?

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