Die Staatsschule hat noch sehr viel Potenzial

Schulentwicklung | Jede 11. allgemeinbildende Schule hat inzwischen einen privaten Träger. Trotzdem bleibt die "Staatsschule" die Schule der Nation. Und die ist durchaus entwicklungsfähig.

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"Die staatliche deutsche Schule", schrieb Regina Mönch am 14.02.2007 in der FAZ, "wird schlechter geredet, als sie ist, und es fehlt ihr an glaubwürdigen Verteidigern. Bedrohte Apfelsorten und Auerhähne hätten es leichter."

Heute, genau sieben fette Privatschuljahre später, verbreitet der dritte Deutsche Schulleiterkongress 2014 in Düsseldorf Zuversicht. Unter dem Motto "Schulen gehen in Führung" wollen die Veranstalter die öffentliche Schule zukunftsfähig machen. Ist das im Zeichen leerer öffentlicher Kassen und drohender Sparpläne mehr als hohl tönender Zweckoptimismus?

Was ist eine gute Schule?

Folgt man den gängigen Sonntagsreden, so will natürlich jeder die bestmögliche Schule. So verkünden es unisono die Bundeskanzlerin, Bildungspolitiker und Bildungsexperten jeglicher Provenienz, Lehrerverbände und Elternvertreter. Der Diskurs um die Qualität des Bildungswesens als Verwirklichung des Gemeinwohls ist allerdings durchmischt mit allerlei Partikularinteressen, die sich nicht immer klar identifizieren lassen und mal in Gestalt (gezielt verbreiteter) populärer Irrtümer, mal als mit Verbissenheit ausgetragene Glaubenskriege daher kommen. Hier wäre die zuerst von Neil Postman propagierte "zweite Aufklärung" sehr hilfreich, um insbesondere mit Mythen und Legenden der privaten Bildungsindustrie und dem von einer schichtspezifischen "mauvaise foi" bestimmten Staatsschulescapismus der abstiegshysterischen Mittelschicht aufzuräumen.

Nein, Privatschulen sind nicht grundsätzlich besser als öffentliche Lehranstalten. Und bessere Schülerleistungen lassen sich weder durch mehr Privatinstitute garantieren noch durch kleinere Klassen, weniger Unterrichtsausfall, modernere Ausstattung, Ausweitung der Ganztagsangebote, Rückkehr zum gegliederten Schulwesen, flächendeckende Durchsetzung der Einheitsschule, "ganzheitliche" Internaternatserziehung, Internationalisierung, Elitisierung und was der gängigen Schlagworte mehr sind. Mehr als auf alle materiellen, schulorganisatorischen oder konzeptionellen Faktoren kommt es auf die Qualität der Kommunikation zwischen den am Bildungsprozess Beteiligten und letztlich auf bestimmte Persönlichkeitsmerkmale der Akteure an, die auf seiten der Pädagogen unter dem Begriff "Führungsqualitäten", auf seiten der Schüler unter "soziale Kompetenz" und "Lernbereitschaft" zusammenzufassen sind. Dies erklärt, warum unser Schulsystem selbst unter den katastrophalen Unterrichtsbedingungen der unmittelbaren Nachkriegszeit in der Lage war, spätere Nobelpreisträger hervorzubringen. Wobei allerdings grundsätzlich anzumerken ist, dass individuelle Karrieren und Spitzenleistungen durch kein noch so geniales Schulsystem zu generieren sind. Das mag manchen Bildungspolitiker, Lehrerfunktionär, Privatschullobbyisten oder manche Stammtischrunde schmerzen, aber spätestens seit der umfangreichen Studie des Neuseeländers John Hattie gehört diese Einsicht zu den bildungssoziologischen Grundtatsachen, über die nicht ständig neu verhandelt werden muss. Die Erde ist eben keine Scheibe, basta! Und tatsächlich bestätigen empirische Untersuchungen, dass selbst die elitärsten der Eliteschulen mit der exklusivsten Schülerauswahl und den reflektiertesten Unterrichtskonzepten ihren Zöglingen letztlich nicht mehr beibringen als die stinknormale Penne von nebenan. Die elitäre Kaderschmiede mit Karrieregarantie ist und bleibt ein Mythos.

Auf der Suche nach Wegen, dennoch die bestmögliche Schule für alle zu realisieren, ist man nun also bei den "Führungskräften" im Bildungsbetrieb angekommen, bei den Lehrern und - wie es jetzt der Schulleiterkongress in Düsseldorf demonstriert - bei den Schulleitern. Das bedeutet allerdings keine Rückkehr zum Bild des Rohrstockdespoten im Klassenzimmer oder des autokratisch regierenden Anstaltsfürsten mit einem blaustrümpfigen Zerberus namens Schulsekretärin im Vorzimmer. Man hat vielfach verstanden, dass man den Akteuren im Lehrbetrieb neben der individuellen Voraussetzung der "persönlichen Eignung" bestimmte - durchaus gezielt trainierbare - "Softskills" und Managementfähigkeiten abverlangen muss, damit sie in die Lage versetzt werden, alle Beteiligten in der Lerngruppe oder auf Ebene der gesamten Schule auf gemeinsame Werte, Ziele und Qualitätsstandards einzuschwören sowie ein Höchstmaß an Partizipation - inklusive Elternengagement und örtlichem Sponsoring - zu mobilisieren. Deshalb wird heute bei der Besetzung von Schulleiterstellen nicht einfach auf den Pool der "bewährten und langjährigen Lehrkräfte" einer Schule zurückgegriffen, sondern möglichst auf Bewerber, die eine berufsbegleitende Vorbereitung auf ihre Schulleiter(Innen)aufgabe erfahren haben. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Management-Coaching durch Senior-Experten aus der Wirtschaft. Dieses Prinzip könnte auf die erweiterte Schulleitung ausgedehnt werden, um beispielsweise aus AufgabenfeldleiterInnen Experten für die Talentförderung und Wettbewerbsbetreuung zu machen.

Tatsächlich bestätigt die Erfahrung: Hinter jeder herausragenden Schülerleistung und jeder Vorzeige-Lehranstalt, die bei den zahlreichen bundesweiten Schüler- oder Schulwettbewerben wie "Deutscher Schulpreis" , "Starke Schule" oder Prämierungen der Wirtschaft auf Länderebene herausgestellt werden, stehen besonders profilierte Fachlehrer- und Schulleiterpersönlichkeiten. Welche erstaunlichen Qualitätssprünge im staatlichen Bildungssystem möglich sind, demonstrierte vor Jahren die Verwandlung der berüchtigten Rütli-Schule in Berlin- Neukölln "vom Schlachtfeld zum Lernidyll" (SPIEGEL) und damit zu einem Vorbild für weitere Projekte. Ein anderes Leuchtturmprojekt für die Nutzung des Entwicklungspotenzials öffentlicher Schulen stellt die Schaffung eines bundesweiten Netzwerks von "MINT EC Schulen" durch einen gleichnamigen Verein dar, in dem die Wirtschaft sich seit der Jahrtausendwende für die Optimierung des staatlichen Bildungssystems engagiert, nachdem man erkannt hat, dass systematische Talentförderung zur Bekämpfung des Fachkräftemangels nur aus der "Masse" der "Staatsschüler" sinnvoll ist. Der Erfolg dieses Projekts kann nach knapp eineinhalb Jahrzehnten gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Er ist geradezu sensationell.

Privatschulen – keine Konkurrenz an der Spitze

Was Spitzenleistungen ihrer SchülerInnen angeht, braucht die zu Unrecht geschmähte Staatsschule sich daher vor der privaten Konkurrenz nicht zu verstecken. Im Gegnteil.

Vor dem Hintergrund der kampagnengesteuerten Privatschulpropaganda ist vollkommen aus dem Blickfeld geraten, dass das höhere Schulwesen in Deutschland bis weit ins 19. Jahrhundert hinein weitgehend in privater Hand war. Adlige hatten gar das Privileg, auch ohne entsprechend dokumentierten Bildungsweg und Reifezeugnis an den deutschen Hochschulen zu studieren. Erst mit der Verstaatlichung des höheren Schulwesens stieg das allgemeine Leistungsniveau. Man kann dies als Kern einer bürgerlichen Revolution gegen die rückständige Feudalherrschaft beschreiben. Der heraufziehende Kapitalismus brauchte leistungsfähigere Führungskräfte mit breiteren Kenntnissen.

Am 12. November 1812 verfügte der preußische Staat per Gesetz, dass nur noch die Gymnasien berechtigt sein sollten, Schüler auf die Universität vorzubereiten. „Dies kann“, so schreibt die WELT anlässlich seines zweihundert-jährigen Bestehens, „als Geburtstag des staatlichen Elite-Gymnasiums gelten, das zum noch heute gerühmten Modell für weite Teile Deutschlands wurde“.

Ein gleichwertiges privates Eliteschulwesen konnte sich daneben in Deutschland niemals etablieren. Vor allem den in ihrer radikalen Gründungsrhetorik geradezu anmaßenden Landheimgründungen der reformpädagogischen Bewegung (bekannteste Vertreter sind die Hermann-Lietz-Schulen, die Odenwaldschule, die Schule Schloss Salem oder Louisenlund) blieb – trotz aller diese Tatsache leugnenden Propaganda - bis heute nur die Rolle von Reparaturbetrieben für diejenigen, die an den Leistungsanforderungen des staatlichen Bildungssystems scheitern oder dort aus anderen Gründen nicht beschulbar sind.

Einen Wettlauf zwischen öffentlichen Schulen und Privatinstituten um die anspruchsvollsten Schulkonzepte oder die bestqualifizierten Absolventen, der als angeblicher "Motor des Fortschritts" immer wieder behauptet wird, um die Notwendigkeit von Privatschulen zu begründen, gibt es in Wahrheit nicht. Wo Wirtschaftsvertreter und Privatschulverbände nach der ersten PISA-Studie einst gar einen Vorsprung der Privaten behaupteten, ist man - sicher auch vor dem Hintergrund einzelner Prüfungsskandale, zahlreicher Berichte über pädagogische Korruption und Schlendrian sowie der 2010 offenbar gewordenen Missbrauchsfälle in privaten "Elite"-Schulen - inzwischen kleinlaut geworden. Denn bei näherem Hinsehen hat sich herausgestellt: Trotz oft besserer Lernbedingungen haben Privatschüler im Leistungsvergleich nicht die Nase vorn. Nicht einmal in punkto Schulausstattung und Schülerfreundlichkeit konnten die privaten Bildungsunternehmer sich von der öffentlichen Konkurrenz absetzen. Dies zeigte bereits vor Jahren ein viel beachtetes Schulranking der Zeitschrift "Capital". "Schwarzwald schlägt Eton" titelte damals die Illustrierte "stern". Überwiegend staatliche Gymnasien und Gesamtschulen landeten auf den vorderen Plätzen und hätten sogar international renommierte (private) Spitzeninstitute wie Eton auf die Plätze verwiesen. Und beim Thema Talentförderung oder Förderung von Hochbegabten gibt es überhaupt keine Alternativen zu staatlichen Bildungsangeboten, nicht einmal im Bereich der sog. "Eliteinternate". So warb der "stern" einst für die ostdeutschen Spezialschulen für Naturwissenschaften mit dem Slogan: "Wer schlau ist, macht rüber".

Bildungsforscher wie Prof. Margret Kraul von der Georg-August-Universität in Göttingen beschreiben die deutsche Privatschullandschaft denn auch als einen bunten Flickenteppich unterschiedlichster Konzepte, der "in Bezug auf die Schulformen keineswegs auf Gymnasien fixiert" sei, sondern sich weniger an dem Bedürfnis nach Distinktion als an Gesamtschulstrukturen und dem Ziel der individuellen Förderung orientiere.

Privatschulen sind allerdings auch auf diesem Gebiet keineswegs so innovativ und alternativ, wie sie gern gesehen werden wollen. Sie sind auch nicht - wie eine andere Legende es zu suggerieren versucht - die Oasen in der Schulwüste, die durch Flexibilität und Kreativität den pädagogischen Fortschritt erblühen lassen und die Vorbilder schaffen, denen die zu Tode verwaltete "Staatsschule" nur nachzueifern hätte. Wo die private Bildungsindustrie dies behauptet, entspringt das einer hybriden Selbstwahrnehmung, für die es keine objektive Bestätigung gibt.

Mittlerweile bildet das öffentliche Schulwesen wieder eindeutig den Maßstab im Leistungsvergleich. So räumte der Schulvorstand der Schule Schloss Salem, die sich gern als Flaggschiff der Privatschulen und eine der besten Schulen Deutschlands feiern lässt, im Interview mit der Unternehmer-Postille "Wirtschaftsblatt" unumwunden ein:

"Internate in Deutschland müssen sich mit der Leistungsstärke der öffentliche Schulen messen, wenn sie eine Zukunft haben wollen."

Die zunehmende Beliebtheit der Schulen freier Träger ist im Grunde kein Fortschritt, sondern ein Krisenzeichen unseres Gemeinwesens. Privatschulen stehen nur scheinbar für "mehr Freiheit" und "Individualisierung". In Wirklichkeit sind sie nicht die Lösung des Problems "schlechte Staatsschulen", sondern Teil eines ganz anderen Problems. Und das heißt Ökonomisierung des Bildungssystems im Interesse der steuerflüchtigen und steuervermeidenden Reichen.

Der "schlanke Staat", der sich bei der Besteuerung der Großunternehmen und Vermögenden eine Hungerdiät auferlegt hat, bestiehlt zunächst die Gesamtheit der Bürger, indem er die von ihren Steuern errichtete öffentliche Infrastruktur verkommen lässt (siehe z.B. "Sanierungsstau an öffentlichen Schulen"). Gleichzeitig plündert er die Mittelschicht aus, um wenigstens einen Teil der Steueraus-fälle wieder herein zu holen. Der dadurch entstehende "Mittelstandsbauch", der eigentlich der Hungerbauch des fehlernährten Staatsetats ist, spaltet die Mittelschicht in Verarmte und (mehr oder minder) Abstiegsgefährdete. Erstere resignieren und werden abgehängt. Die anderen versuchen in Panik, sich selbst zu retten, anstatt gemeinschaftlich dafür zu sorgen, dass das "Boot, in dem wir alle sitzen", nicht leck schlägt und absäuft. Ihre Kinder wechseln auf die vermeintlichen Luxusdampfer des Bildungswesens, sprich: preislich exklusive Eliteschulen und Internate, von denen sie allerdings nie wissen, ob es sich wirklich um die versprochene "Arche Noah" oder am Ende doch um die Titanic handelt.

Auszüge aus: Ingolf Erler, Pia Lichtblau, Elke Renner: Bildung unterm Hammer. Privatisierung und Umverteilung
schulheft 133/2009. © 2009 by StudienVerlag Innsbruck-Wien-Bozen

Ingolf Erler: Einblick in die private „Bildungs- industrie“

Nach dem Motto „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ wollen Eltern ihren Kindern durch den Besuch privater Bildungseinrichtungen Aufstiegsmöglichkeiten erschließen oder sie vor dem sozialen Abstieg bewahren. Das private Angebot wird höher bewertet als das öffentliche Schulwesen und soll zum entscheidenden Vorsprung im Wettbewerb zwischen den sozialen Positionen der Gesellschaft verhelfen. Elite-Kindergärten und rigide Lerntherapien setzen bei den Kleinsten an, Schulen als Aktiengesellschaften peitschen die SchülerInnen durch ihre Programme und ihre Renditen in die Höhe. Dieser Wettbewerbsdruck erzeugt nicht nur individuelle psychische, sondern auch gesamtgesellschaftliche Schäden.

Liesner/Lohmann: Zur neoliberalen Transformation der Bildungseinrichtungen

Zunächst ein Wort zur Rahmung, in die bildungspolitisches Handeln heute weltweit eingestellt ist. 1996 veröffentlichte die OECD ein Strategiepapier, das in dankenswerter Klarheit die Taktik benennt, mit welcher der Bevölkerung der reichen Nationen der Raubbau an ihrem öffentlichen Eigentum schmackhaft gemacht wird. Daraus dieses bemerkenswerte Zitat:
„Um das Haushaltsdefizit zu reduzieren, sind sehr substanzielle Einschnitte im Bereich der öffentlichen Investitionen oder die Kürzung der Mittel für laufende Kosten ohne jedes politische
Risiko. Wenn Mittel für laufende Kosten gekürzt werden, dann sollte die Quantität der Dienstleistung nicht reduziert werden, auch wenn die Qualität darunter leidet. Beispielsweise lassen sich Haushaltsmittel für Schulen und Universitäten kürzen, aber es wäre gefährlich, die Zahl der Studierenden zu beschränken. Familien reagieren gewaltsam, wenn ihren Kindern der Zugang verweigert wird, aber nicht auf eine allmähliche Absenkung der Qualität der dargebotenen Bildung, und so kann die Schule immer mehr dazu übergehen, für bestimmte Zwecke von den Familien Eigenbeiträge zu verlangen oder bestimmte Tätigkeiten ganz einzustellen. Dabei sollte nur nach und nach so vorgegangen werden, z.B. in einer Schule, aber nicht in der benachbarten Einrichtung, um jede allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung zu vermeiden“ (Morrisson 1996, 28).
Wir erkennen hier den Umriss des bildungspolitischen Regimes, bei dem das Mantra von den ‚leeren öffentlichen Kassen’ niemals fehlt, denn die vorgebliche Unausweichlichkeit der Privatisierung öffentlichen Eigentums muss plausibel gemacht werden. Dies trägt längst Früchte, wie die Durchsetzung von Studiengebühren mit den Stationen „Niemals – vielleicht – für Langzeitstudenten – für alle“ (Knobloch 2006) zeigt.

[...] „Ökonomisierung der Bildung“ bedeutet „eine historisch neue Dimension des Umgangs mit der Zeit der Menschen, einen Zugriff auf die Tageszeit, die Jahreszeit, die Lebenszeit von der frühen Kindheit bis ins Alter. [...] Verdichtung, Verfrühung und Verlängerung des Lernens sind Ausdruck dieser Strategie“ (Zymek 2006). Ziel ist die Steigerung der Mehrwertabschöpfung unter den heutigen kapitalistischen Bedingungen.

Negativszenario – Ergebnisse der Privatisierung auf mittlere Sicht

Die dominante strategische Rahmung bildungspolitischen Handelns, die u.a. die OECD vorgibt, zielt auf Privatisierung der Bildungssysteme – mit zumindest diesen Merkmalen und Effekten:
1. Es werden neue, für kommerzielle Bildungsdienstleister, vor allem jedoch für institutionelle Finanzanleger interessante Märkte geschaffen, neue Räume für Kapitalverwertung erschlossen.
2. Aufgrund des fundamentalen Verwobenseins von Wissenserwerb mit den Lebens- und Berufschancen der Individuen ist ein Großteil der Gesellschaftsmitglieder bereit, dafür tief in die Tasche zu greifen, sich notfalls auch zu verschulden.3. Als erwünschter Nebeneffekt stellt sich eine wirkungsvolle Entpolitisierung und Selbstkontrolle des lernenden und arbeitenden Volkes ein.4. Die Enteignung der Bevölkerung von den durch sie finanzierten öffentlichen Bildungs-einrichtungen vollzieht sich umso effektiver, je unauffälliger und allmählicher sie vollzogen wird.
So erleben wir seit etwa drei Jahrzehnten eine marktorientierte Monetarisierungsoffensive, die den Bildungsbereich, wie viele öffentliche Sektoren, rund um den Globus um des Geldmachens willen in betriebswirtschaftliche Strukturen zwingt. Gleichzeitig auf der Agenda steht die ‚Verschlankung’ des Staates durch Steuergeschenke an ‚die Wirtschaft’, mit der notorischen Folge ‚leerer öffentlicher Kassen’: So dass auch die öffentlichen Bildungs-einrichtungen – davon sind nun schon fast alle überzeugt – nur durch Wettbewerb gegeneinander, durch Sponsoring, Werbeeinnahmen und mit Hilfe von Stiftungen, mit einem Wort: durch Privatisierung wieder auf die Beine kommen können.<<

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