Lokal-Kabarett

Politik & Satire | GroKo-Jahre sind fette Jahre für die APO der Kabarettisten. Vor allem in den 3. Programmen des Beitragsfunks gedeihen die Könner mit Potenzial. Beispiel: Helmut Schleich.

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06.02.2014, 21:00 Uhr, Bayern 3. Schleich-Fernsehen heißt das Programm. Erinnert spontan an Schleich-Werbung. Und die ärgert ganz besonders im öffentlich-rechtlichen Beitrags- fernsehen. Motto: "Mit dem Zweiten schleicht man (sich) besser. "Also schleich di. Natürlich gilt dies nicht für das hier besprochene TV-Ereignis aus dem Bildungsprogramm, benannt nach einem bedeutenden oberbayrischen Regiolektsprecher gleichen Namens. Ist ja ohnehin im Kommen, der Regiolekt oder Dialekt, besonders in Bayern. Und da wiederum in der Musik, oder besser: der Musi.

Ist der dick, Mann. Super Schleichmann!

Kabarett, du hast ihn nie geliebt / wusstest nicht einmal, dass es ihn gibt... Für Schleichs Kabarett-Karriere wäre das wohl die falsche Beschreibung. Schon durch frühe Parodie-Versuche im Pennäleralter aufgefallen, erhielt der einst eher Schüchterne und mit den Jahren ebenso beleibte wie beliebte Künstler 1999 just für das erste eigene Solo-Programm den 1. Preis beim Nachwuchswettbewerb Paulaner Solo. Die erste eigene TV-Sendung beim BR folgte dann 2001 mit der "Spezlwirtschaft". Seither gehört Helmut Schleich zu den lokalen Kabarett-Größen bei Weißblau-TV. Laudatio zur Verleihung des Münchner Kabarettpreises: "Grandioses bayrisches Typenkabarett".

Bundesweite Bekanntheit erreichte Helmut Schleich bisher durch diverse Gastauftritte, sei es in "Neues aus der Anstalt", "Lach doch!" (3sat), "Ottis Schlachthof" oder was der Humorformate mehr sind. Zum Lachen und Schießen seine Imitationen von Papst Benedikt oder dem seligen Franz Josef Strauß (o h n e Bindestrich, bitte!), Schleichs natürlichem Bruder im Fleische. Jedoch - und da zeigt sich das ganz ungewöhnliche Parodistentalent des gebürtigen Schongauers - bei Bedarf schlüpfte Schleich selbst mit seiner FJS-Figur in die Haut einer Heidi Klum oder gab - zum Thema "Rauchfreie Wies'n" - unter Verleugnung des angeborenen Idioms ganz norddeutsch den Quarzer der Nation, Helmut Schmidt.

Schleich-Fernsehen vom gestrigen Abend war ganz sicher einer der Höhepunkt im Schaffen des Spezialisten für "Kabarett, Parodie und Unfug" (Sendungs-Untertitel). Selten so gelacht, mal wieder richtig rausgeplatzt bei den hinterfotzigen Wortklaubereien. Alice Schwarzers Verdienst, so etwa überlegt Schleich, rechtfertige das Bundesverdienstkreuz doch allein von der Höhe her. Warum also sollte sie ihren Verdienstorden allso zurückgeben? Sie hätte diesen halt nur nicht in der Schweiz anglegen sollen. Und auch das leuchtet ein: Gemessen an der Zahl der Erwähnungen in der ADAC-Mitgliederzeit-schrift "Motorwelt" kann es nur ein beliebtestes Fortbewegungsmittel der Deutschen geben. Der "Gelbe Engel" geht an den Treppenlift eines Kölner Herstellers. Und der heißt nicht Ford.

Sicherlich: Schnelle Szenenfolgen, Cross-Dressing, das atemlose Springen von einer irren Kostümrolle zur nächsten (schon das jedes Mal einen Lacher wert) kennt man auch von Mathias Riechling. Bei Schleich geht es - vor rautengemusterter 1960er-Jahre Tapete - nicht ganz so hyperaktiv zu. Dafür steckt mehr Feinarbeit in den einzelnen Figuren. Bestes Beispiel: Chefreporter Traugott Sieglieb1, der sich mit einer Art "Paranoilympics"-Interview aus Sotchi meldet. Hier liefert er "Wladimir Input", pardon: Putin in der gewohnt devoten Art die Stichworte zur öffentlichkeitswirksamen Selbstbeweih- räucherung.

Ein weiterer begnadeter Selbstdarsteller, diesmal der aus Bayern, bekommt dann auch noch sein Fett weg. In einer Dalli-Dalli-Parodie tritt ein studiotechnisch gedoppelter Horst Seehofer als abwechselnd Begriffe sammelndes "Team Populismus" auf. Seehofer B verkehrt die Antworten von Seehofer A stets in ihr Gegenteil. So lauten die Antworten auf die Frage "Was braucht Bayern": "Mehr Lehrer. " - "Weniger Lehrer." - "Windräder." - "Keine Windräder." "Zuwanderer." - "Keine Sozialtouristen." Spätestens nach dieser Szene weiß man es zu würdigen, dass dem CSU-Chef und bayrischen Ministerpräsidenten von den allein autorisierten Humorrepräsentanten erst vor wenigen Tagen der Karl-Valentin-Orden verliehen wurde. Pflegte der Meister doch gelegentlich zu fragen: "Können Sie mir sagen, wo ich hin will?"

Special mit "special guest"

Statt vieler Gäste, wie von anderen Kabarett-Formaten gewohnt, konzentriert sich Schleich auf nur einen weiteren Hauptakteur. Am 06.02. ist dies der gelernte Pantomime Christoph Sieber, schmerzlich vermisst bei der SWR-Satire-"Nachtschicht". Er erhält viel Sendezeit für sein "Kabamimischen Pantotainment". Das enthält hier neben philosophischen Reflexionen zum Thema Dorfdepp (=> Pofalla) zum Beispiel Gekalauertes über die Ansparzeiten der abschlagsfreien Rente mit 63. Zitat: "Wir haben ja früher nicht G8 oder G9 gehabt, sondern Geh' Schule!" Zusätzlich propagiert Sieber in der Rolle des Djungelcamp-Assistenten die weißblaue Variante des Ekel-TV: Oktoberfest im Käferzelt. Zitat: "Da sitzen genug XYZ-Promis herum und essen keine Käfer, sondern im Käfer. "

Gern mehr davon!

(1) Apropos Traugott Sieglieb: Wie heißt das CSU-nahe BR-Vorbild der Parodie eigentlich wirklich? Trottlieb Graugott? Liebtraut Gott- sieg? Die Verballhornung verselbständigt sich derart, dass das Original der Ähnlichkeitshemmung anheim fällt! Da kommt man nur noch mühsam auf... Siegmund Gottlieb.

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