Schulleitung im 21. Jahr- hundert

Bildungsgipfel "Starke Leiter - zuversichtliche Lehrer - innovative Denkansätze" - Unter diesem Motto stand der 5. Bildungsgipfel des ISTP*) am 29. und 30. März 2015 in Banff/Kanada.

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Quasi zum vorösterlichen Eierlaufen der Eierköpfe trafen sich Kultuspolitiker und Lehrervertreter aus den 30 führenden PISA-Ländern jüngst zu "one of the most important forums in the world for dialogue on education transformation", wenn Sie verstehen, was ich meine. Deutschland hat ja nun seinen geistigen Trainingsrückstand so weit aufgeholt, dass es sich für diesen - so to speak - "PISA Wor(l)dcup" endlich qualifizieren konnte. Mindestens mal als Mittelfeldspieler auf der Ersatzbank.

Strong Leader der deutschen Delegation war der Kultusminister von Sachsen-Anhalt, ein gewisser Herr Stephan Dorgerloh (nie gehört). Ich vermute stark, dass die Osterferien in Sachsen-Anhalt ab dem Schuljahr 2017/2018 nur deshalb wieder eingeführt werden, damit Herr Dorgerloh oder ein eventueller Nachfolger diese für elitäre Klassenausflüge (z.B. nach Banff) nutzen können, ohne durch zu viel "education transformation" davon abgehalten zu werden, den heimatlichen Unterricht zu beaufsichtigen.

Dorgerloh macht Kinder froh und die Lehrer ebenso. Sinnigerweise hatte man dem Gudesten gleich die Funktion eines ISTP-Berichterstatters der Kultusministerkonferenz aufgehalst. Sinnig deswegen, weil er ohnehin als einziger Knight of the Round Table nach Kanada gereist und demzufolge auch der einzige mögliche Berichterstatter war.

Irgendwie muss Ritter Dorgerloh schon vor seiner Abreise geahnt haben, welche Mysterien sich ihm im Holy Grail of Banff erschließen würden, denn er gab sich gegenüber "Bildungs-Klick" unerwartet erwartungsfroh:

"Die Internationale Konferenz bietet eine gute Gelegenheit zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch über aktuelle Entwicklungen und die Herausforderungen für den Lehrerberuf. Darüber hinaus ist es ein hervorragendes Forum, um über neue Konzepte zu diskutieren und sich weltweit zu vernetzen."

Klingt zugegebenermaßen ziemlich beliebig, aber lieber überall Netz als überall Netzer, wie man in Fortführung des PISA-Wor(l)dcup-Fadens kalauern möchte, auch wenn Kalau gar nicht in Sachsen-Anhalt liegt, sondern entweder in Brandenburg oder (internationaler geht`s ja nun wirklich nicht!) gleich ganze fünf Mal auf wesentlich südlicheren Breitengraden, je nachdem ob man's modern mit "C" oder traditionell mit "K" schreibt.

Einen "Witzerundweg" - auch das sei noch gesagt (Es gilt schließlich, sich durch enzyklopädisches Wissen in der Top-Gruppe der PISA-Länder zu behaupten!) - gibt es allerdings nur in der südbrandenburgischen Provinzstadt mit C. Was merkwürdig ist, weil es K-alauer heißt und nicht C-alauer. Die Welt der Allgemeinbildung ist eben voller geheimnisvoller Ungereimtheiten. Und there are more things in haven and earth, Horatio Dorgerloh, than are dreamt of in your philosophy (Hamlet, 1. Akt, 5. Szene). Host me?

Und so gelingt es "Bildungs-Klick", unsere Neugierde ein weiteres Mal aufzustacheln, indem uns verraten wird, dass "im Mittelpunkt des diesjährigen ISTP-Kongresses [...]die Themen Führung, Karriere, Arbeitssituation, Anerkennung und Wirksamkeit des Lehrerberufs sowie neue innovative Strategien in der Lehrerbildung" stünden.

Whow! Und als reichte dies nicht schon für mindestens eine Amtszeit in Magdeburg oder gar die gesamte Luther-Dekade aus, als deren Beauftragter Dorgerloh ebenfalls tätig ist, wird gleich auch noch das volle Damenprogramm des Banff-Trips aufgelistet: D. treffe sich "u.a. mit den Bildungsministern der Provinzen Alberta und Quebec zu bilateralen Gesprächen, um sich mit ihnen zu bildungspolitischen Themen der KMK und des Council of Ministers of Education Canada (CMEC) auszutauschen". Weiterhin gehe es "in einem Gespräch mit dem stellvertretenden Generalsekretär der OECD, Stefan Kapferer, um die Kooperation zwischen KMK und OECD. Geplant [sei] ferner der Besuch einer Schule in Calgary."

Und wenn man - "Bildungs-Klick" sei Dank - jetzt auch noch erfährt, dass "der Summit" im Jahr 2011 auf Initiative von Präsident Barack Obama im Zusammenhang mit bildungspolitischen Reformen der US-Bundesregierung vor dem Hintergrund unbefriedigender PISA-Ergebnisse entstanden und eine gemeinsame Veranstaltung von OECD, von Education International (Internationaler Fachverband der Bildungsgewerkschaften) und des ausrichtenden Landes sei, an der Bildungsminister und hochrangige Vertreter aus Bildungspolitik und Praxis teilnähmen, brennt man geradezu darauf zu erfahren, welche Ergebnisse ein internationaler Bildungsgipfel der stärksten PISA-Länder bei hochkarätiger Besetzung und unter ambitioniertesten Fragestellungen doch zwangsläufig erbringen muss.

Allein aufgrund der Tatsache, dass es in seinem Ministerium eine eigene "Abteilung 1" gibt, die sich speziell mit "allgemeinen und übergreifenden Angelegenheiten" befasst (natürlich nur, insoweit ausreichender Grund zur Veranlassung besteht), wähnt man sich bei dem ehemaligen Bausoldaten, studierten Theologen, Beauftragten der Luther-Dekade und ISTP-Berichterstatter Stephan Dorgerloh in allerbesten Händen.

Und tatsächlich lässt Herr Dorgerloh sich nicht lange zur summary of the summit bitten. Am 1. April (datum est fatum) erfahren die Hörer des Deutschlandradios in der Sendung "C(h)ampus und Karriere" noch vor den Kultusministerkollegen exklusiv, dass einer eine Menge erzählen kann, wenn er eine Reise getan hat. Was er denn auf der "elitären Veranstaltung" von "anderen (!) starken Pisaländern" wie China oder Kanada gelernt habe, wollte Autor Manfred Götzke bei der Rückkunft des Weitgereisten auf dem Frankfurter Flughafen wissen. Hier ein Auszug aus dem Interview:

>> Auf dem Programm stand das Thema Leadership, also Schulleitung. Schulleitung ist ja unglaublich wichtig für die Qualität von Schule, für gutes Lernen, für Exzellenz, für Innovation. Und damit eben gute Leitung passieren kann, braucht es in der Schule [...] eine funktionierende, vertrauensvolle Feedback-Kultur, also Rückmeldung. Wir haben ganz viel gehört von offenen Klassenzimmertüren, dass man sich kollegial berät, dass man miteinander überlegt: Wie können wir Unterricht besser machen. Dass man sich über die Schulter schauen lässt. Und dann gemeinsam an den Schulen zusammen mit der Schulleitung überlegt: Was sind unsere Schritte, damit der Unterricht besser wird, damit das Schulklima sich verbessert. Das ist etwas, was wir mitnehmen. Wir haben das zusammen am Ende dann auch formuliert. <<

Bravo, der Mann weiß, was Ph(r)ase ist! Aber mit Verlaub: Derartige Banalitäten aus dem Archiv der "Abteilung allgemeine und übergreifende Angelegenheiten" hätte man ebensogut schon in der Brotdose von Magdeburg nach Banff mitbringen können. Die "offenen Klassenzimmertüren" und die "Feedback-Kultur" hat man meines Wissens - zumindest in "Wessiland" - bereits zu Zeiten diskutiert, als Bausoldat Dorgerloh mutmaßlich noch damit beschäftigt war, die heimatlichen Grenzbefestigungen auf Weltniveau zu halten. Schon damals hat das Ringen um die Qualität von Schule, gutes Lernen, Exzellenz und Innovation nicht viel verändert. Und "after Banff" wird wohl auch wiederum kein Ruck durch Deutschland gehen. Fragen Sie mich jetzt nicht, warum.

*) ISTP = International Summit on the Teaching Profession
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