Ewigkeiten, möchte man meinen, haben in einer schnelllebigen Zeit wie der unseren keine Konjunktur. Doch im Gegenteil: Je flüchtiger das Leben, je nichtiger die gelebte Erfahrung, desto faszinierender scheint die Vorstellung vom ewigen Leben und unvergänglicher Jugend und Schönheit. Die Zeit anzuhalten oder sie zu überwinden, ist ein Traum, der sich in die abendländische Kultur mehr als in jede andere eingeschrieben hat; um so mehr, als die Zeit die Jäger vorantreibt bei ihrem Beutezug um die letzten Ressourcen.
Drei Meldungen in der letzten Zeit sind es, die dieses Phänomen in aller widersprüchlichen Komplexität beleuchten. In Klon-Kälbern, war kürzlich in der Fachzeitschrift Science zu lesen, wurden Zellen gefunden, die jünger waren als das Tier selbst. Bei einer natürlichen Zellteilung verkürzen sich die Chromosomen-Enden so lange, bis sie nach ca. 60 Teilungen aufgebraucht sind und die Zelle abstirbt. Nur in zwei Zelltypen - den Geschlechtszellen und den Krebszellen - sorgt die sogenannte Telomerase für ständig wiederholbare, unzerstörbare Teilungsfähigkeit. Diese Telomerase scheint aus bisher nicht erklärbaren Gründen auch bei der Kernübertragung von Klontieren eine Rolle zu spielen, jedenfalls weisen vereinzelte Versuchstiere verjüngte Zellen aus, obwohl - im Unterschied zum Klonschaf Dolly - die Ausgangszellkerne durch künstliche Zellteilung gealtert wurden. Die Nachricht über den "Klon-Jungbrunnen" hat in der Presse zu wilden Spekulationen geführt, die darin gipfelten, dass mit dem genetischen Zurückdrehen der biologischen Uhr das menschliche Leben (fast) unendlich verlängerbar sei. Dass mit der Aktivierung der Telomerase auch Krebszellen höchste Entwicklungschancen haben, wurde in den Gazetten meist tunlichst verschwiegen.
Mit einem Ewigkeitspatent brachte sich diese Woche auch der Henkel-Konzern in die Spiegel-Schlagzeilen. Zwar ist es dem weißen Riesen noch immer nicht gelungen, die Welt sauber zu schrubben, aber wo Grundreinigung unerwünscht ist, scheint kosmetische Korrektur angesagt. Im Angebot hat das Henkel-Kosmetik-Team nun eine künstliche Haut, die alle Merkmale der natürlichen aufweist und demnächst als Versuchsmaterial für die kosmetische Industrie zur Verfügung steht. Mehrere tausend Wirkstoffe, so lässt der Konzern verlauten, sollen an dem künstlichen Hauttyp getestet werden. Davon verspricht man sich eine bislang nicht auszudenkende Möglichkeitspalette von Hautcremes, deren Grundstoffe aus Mikroorganismen, Algen und Plankton gewonnen und, so ist anzunehmen, auch patentiert werden sollen. "50-jährige Frauen", garantiert Teamchef Förster im Spiegel, "werden die Haut einer 30-jährigen haben, wenn sie rechtzeitig und regelmäßig unsere Cremes auftragen." Die Aktionäre wird das freuen.
Um patentierbares "grünes Gold", das die Natur in Jahrtausenden ausgebildet hat und durch menschliche Forschungsleistung kollektiv angeeignet wurde, ging es vergangene Woche in München vor dem Europäischen Patentamt. In diesem Fall stand ein indischer Dorfbaum im Mittelpunkt, auf den der amerikanische Chemiekonzern W. R. Grace Patentansprüche angemeldet hatte. Der Neembaum gilt in Indien als Heiligtum, ihm werden heilende Kräfte zugesprochen, seine Früchte und Wurzeln werden seit Menschengedenken genutzt gegen Krankheiten, sein Öl dient der Körperpflege. Dieses kollektive, allen zugängliche Wissen in privat Verwertbares umzuwandeln, galt bereits ein Patentantrag in Amerika, der trotz juristischer Einsprüche und politischen Protests genehmigt wurde. Indische Wissenschaftler laufen Sturm gegen diese Enteignung von Naturressourcen.
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die Frage, ob sich aus kollektiven Wissensbeständen patentierbare Eigentumsrechte ableiten lassen. Von einem neokolonialen Raubzug sprechen die indischen Einwender, von "Biopiraterie" der Technokritiker Jeremy Rifkin, der mit seinem Widerspruch vor dem amerikanischen Patentamt unterlegen ist.
Am vergangenen Mittwoch hat das Europäische Patentamt das Patent E 0436 257B1 der Firma Grace widerrufen und die private Nutzung des Neembaum-Öls wegen "fehlender Neuheit" und "fehlender erfinderischer Tätigkeit" untersagt. Die Entscheidung wird als richtungsweisend für künftige Patentansprüche auf traditionelles Wissen, aber auch die Entdeckung bzw. Isolierung seltener Gene gewertet.
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