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Vor genau 14 Jahren, im September 1997, wartete die Bundesanstalt für Angestellte mit einer kaum glaubhaften guten Nachricht auf: Die Altersarmut von Frauen, so hieß es, gehöre bald der Vergangenheit an. Künftige Rentnerinnen hätten in der Regel mehr zu erwarten als das Existenzminimum. Sollte die Armut in Zukunft tatsächlich nicht mehr „weiblich“ sein, wie die Zeitungen damals titelten?
Vielleicht – zumindest was die Altersarmut betrifft – nicht mehr „nur“ weiblich. Doch im Datenwust der Rentenversicherung steckte eine kleine Zeitbombe, die man schon damals hätte ticken hören können. Dauerarbeitslosigkeit, Teilzeitarbeit und prekäre Beschäftigung ließen nämlich ahnen, wovor Sozialverbände warnen und was nun auch die OECD bestätigt: Deutschland könnte in absehbarer Zeit wieder damit konfrontiert werden, dass nicht nur vereinzelt alte Menschen in Papierkörben nach Essbarem wühlen oder in Suppenküchen anstehen.
Offiziell sind hierzulande derzeit 400.000 alte Menschen auf Grundsicherungsleistungen angewiesen. Doch wer heute in Rente geht, erhält sieben Prozent weniger Rente als Neurentner noch vor zehn Jahren. Das Sicherungsniveau – also das Verhältnis zwischen Rente und dem aktuellen Durchschnittseinkommen – liegt derzeit bei 50,8 Prozent und wird laut Arbeitsministerium bis 2030 auf 43 Prozent sinken. Um heutzutage auf eine Grundrente von 684 Euro zu kommen, muss man 28 Jahre lang durchschnittlich verdient haben. 2030 werden es schon 33 Jahre sein.
Kleine Anpassung im Schnittmuster
Diese Entwicklung hat nicht zuvörderst Sozialministerin Ursula von der Leyen zu verantworten, sondern die Renten- und Arbeitsmarktpolitik der letzten 15 Jahre. Es war die rot-grüne Koalition, die mit dem Hartz IV-System und der Prekarisierung der Arbeit dafür sorgte, dass der so genannte Eckrentner mit einem Bruttodurchschnittsverdienst von rund 2.500 und einer Rentenerwartung von rund 1.236 Euro keineswegs mehr der Normalfall ist; es war die Große Koalition, die die Beitragszahlungen an die Rentenkasse für ALG II Empfänger nach und nach kürzte, bis sie am 1. Januar 2011 ganz eingestellt wurden.
Doch statt dem künftigen Armutsdesaster von Geringverdienern, Teilzeitbeschäftigten und prekär Selbstständigen offensiv gegenzusteuern, will von der Leyen lediglich ein bisschen das Schnittmuster des Systems anpassen.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit holt sie am heutigen Mittwoch die Fachpolitiker der Regierung und den Vorstand der Rentenversicherung zu einem „Regierungsdialog Rente“ an einen Tisch. Ein Ergebnis ist erstmal nicht zu erwarten. Doch liegt angeblich eine „kleine Rentenreform“ bereits in der Schublade der Arbeitsministerin. Zum einen soll die Erwerbsminderungsrente erhöht werden, die nach Darstellung des Sozialverbandes Deutschland von 738 Euro im Jahr 2000 auf 640 Euro im Jahr 2010 gesunken ist.
Außerdem könnten nach von der Leyens Plänen die Beitragszahler, die 45 Versicherungsjahre vorweisen können und dennoch nicht das Grundsicherungsniveau erreichen, Zuschläge erhalten. Aber welcher Arbeitsnehmer bekommt heutzutage schon noch 45 Versicherungsjahre voll? Und wer braucht dann noch einen Zuschuss? Das scheint auch dem Vorsitzenden des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, Karl-Josef Laumann klar zu sein. Er plädiert deshalb, unterstützt von Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU), für eine Mindestrente nach 35 Versicherungsjahren.
Mit dem Stichwort Mindestrente könnte sich auch die Opposition anfreunden, allerdings auf einem völlig anderen Niveau, als es den Unionsvertretern vorschwebt. Klaus Ernst von der Linkspartei hält 850 Euro für unabdingbar, um würdig zu leben; die Grünen könnten sich auf 824 Euro einigen; beide Parteien wollen aber nur 30 Versicherungsjahre zur Voraussetzung für den Bezug machen.
Keine Mindestrente gewünscht
Von Mindestrente hält die Arbeitsministerin, die das Volumen ihres Reförmchens auf zwei Milliarden begrenzt sehen will, überhaupt nichts und orakelt über die negativen Auswirkungen, die ein solches Staatsgeschenk auf die „Eigenverantwortung der Bürger“ haben könnte. Nun hat aber alle „Eigenverantwortung“ bislang keine besser bezahlten Arbeitsplätze aus dem Wunderhorn gezaubert, und wer ohnehin wenig verdient, ist auch nicht imstande, zusätzlich privat oder betrieblich fürs Alter vorzusorgen.
Statt endlich einen Mindestlohn zu installieren, der mehr Geld in die Rentenkassen spült und im Alter auch ein besseres Auskommen sichert, sollen lediglich die Zuverdienstgrenzen für Rentner erhöht werden. Das könnte den gebeutelten Koalitionspartner FDP etwas beruhigen. Aber eben diese Maßnahme wird noch ein bisschen mehr Druck auf die Löhne machen – und das Armutsrisiko erhöhen. Ein Circulus vitiosus.
Dass ein Land, das gerade seinen Aufschwung feiert und Grund und Gelegenheit für eine umfassende Rentenreform hätte, sich immer weiter in diesen Teufelskreis hineinmanövriert, hat auch mit Armut zu tun - mit mangelndem Mut nämlich. Der großmäulige Exportweltmeister als sozialpolitisches „Schlusslicht“, wie es die OECD attestiert. Wollen wir uns dieses Label noch länger leisten?
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