Wie vieles in der digitalen Welt hat auch Amazon einmal klein angefangen: Mit 300 Freunden und Bekannten, die sich bereit erklärten, ein elektronisches Spielzeug zu testen. Dass der zum Weltkonzern aufgestiegene Digitalhändler hierzulande einmal den altehrwürdigen Buchhandel ins Straucheln bringen würde, war damals nicht absehbar. Dabei profitiert Amazon in Deutschland von der Buchpreisbindung und versteuert in Luxemburg seinen Umsatz mit nur drei Prozent.
Die rund 17 Millionen Amanzon-Kunden, die sich bequem und schnell jedes beliebige Buch ins Haus kommen ließen, hat dabei wenig interessiert, dass der Qualitätsbuchhandel als „Kollateralschaden“ auf der Strecke zu bleiben droht. Vielleicht weil die in Logistikzentren auf der grünen Wiese gekarrten Arbeitskräfte für uns unsichtbar bleiben, haben wir den Eindruck, dass das beiläufige Online-Shoppen wie von selbst funktioniert.
Doch es gibt sie, die Arbeitssklaven. Die nicht nur bei den konkurrierenden Zustelldiensten ausgebeutet werden, sondern bei Amazon selbst. Die unter unwürdigen Bedingungen hausen und arbeiten und von politisch fragwürdigen Sicherheitsdiensten überwacht werden. Die sich nicht trauen, zu protestieren oder sich gewerkschaftlich zu organisieren. Sie kommen aus der siechenden europäischen Peripherie, um die Profite der globalen Player zu mehren. Das ist nichts Neues in Deutschland; aber neu ist, dass die Amazon-Kundschaft plötzlich aufschreckt – diese mehrheitlich aufgeklärten Freunde des Buches, die sich nicht nachsagen lassen wollen, sie unterstützten Skaventreiber.
Finanzminister Wolfgang Schäuble will nun die Gewinnverschiebungen der multinationalen Konzerne auf EU-Ebene unterbinden. Seine Kabinettskollegin Ursula von der Leyen hat Sonderprüfer losgeschickt und den für Amazon tätigen Leiharbeitsfirmen „Konsequenzen“ angedroht bis hin zum Entzug der Lizenz. Den Online-Riesen wird das wenig beeindrucken. Der eigentliche Druck kommt von einer ganz anderen Seite: Kunden sind eine leicht erregbare Masse. Vielleicht nicht in den realen Ladengeschäften der Städte. Aber auf jeden Fall im globalen Dorf.
AUSGABE
Dieser Artikel erschien in Ausgabe 8/13 vom 21.02.20013
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