Seit Sommer diesen Jahres tobt eine heftige Auseinandersetzung darüber, ob der Organspendebereitschaft der Deutschen mit finanziellen Anreizen nachgeholfen werden kann. Der Essener Transplantationschirurg Christoph Broelsch beispielsweise plädiert dafür, sowohl postmortale als auch Lebendspenden zu honorieren. Das Transplantationsgesetz schließt die Entlohnung der Spenders eindeutig aus.
Dennoch ist das Thema brisant, auch hinsichtlich der allerorten im Aufbau befindlichen sogenannten Biobanken. Biobanken sind Einrichtungen, die nicht nur menschliche Substanzen wie Blut, Zellen und Gewebe langfristig lagern, sondern in denen auch die daraus gewonnenen Daten gespeichert werden. Insbesondere auf die genetischen Daten richten sich die Begehrlichkeiten von Forschung und Indu
g und Industrie, wie das isländische Beispiel zeigt. Dort wird seit dem Jahr 2000 eine landesweite genetische Datenbank der Gesamtbevölkerung aufgebaut, was als bislang umstrittenstes Beispiel biotechnologischer Beschaffung gilt.Biobanken standen auch im Mittelpunkt der ersten öffentlichen Jahrestagung, die der Nationale Ethikrat vergangene Woche in Berlin ausrichtete. Denn nicht nur in Island, sondern auch in anderen europäischen Staaten befinden sich Bio- und Gendatenbanken im Aufbau, in der Bundesrepublik etwa im Rahmen des Nationalen Genforschungsnetzes.Die Probleme von Biobanken werden deutlich, wenn man das von Tom Meade vorgestellte Projekt einer britischen Biobank kritisch unter die Lupe nimmt. Dort sollen Körpersubstanzen und Daten von 500.000 Personen im Alter zwischen 45 und 69 Jahren zentral gespeichert und ausgewertet werden. Um die Entstehung weitverbreiteter komplexer Zivilisationskrankheiten - u.a. Krebs, Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen - zu erforschen, werden nicht nur umfangreiche medizinische Daten erhoben, sondern auch Informationen über den Lebensstil der Patienten, über die Krankengeschichte der Familien usw.Schon datenschutzrechtlich ist ein solches Unternehmen von erheblichen Bedenken flankiert: Um den Patienten den Zugang zu neuen Therapien zu ermöglichen, müssten sie re-identifiziert werden können. Doch wer gewährleistet, dass nicht auch Versicherungen oder Arbeitgeber Zugang zu diesen Daten bekommen bzw. die Betroffnen auskunftspflichtig machen? Die hessische Datenschützerin Rita Wellbrock fordert deshalb, dass der Umgang mit Blut- und Gewebeproben präzisiert und ihr Missbrauch strafrechtlich sanktioniert werden müsse. Doch auch die sogenannte "informierte Einwilligung" der Betroffenen ist uneindeutig, gibt der Ratsvorsitzende Spiros Simitis zu bedenken. Denn was heißt schon Einverständnis, wenn am Anfang gar nicht klar ist, was bei der Forschung am Ende herauskommen soll? Die Probanden müssten fortlaufend über den Gang der Entwicklung informiert und ihnen das Recht eingeräumt werden, ihre Einwilligung zu widerrufen.Über die unübersichtliche besitz- und eigentumsrechtliche Lage informierte die Hamburger Politologin Ingrid Schneider: Wem gehören die Substanzen und Daten, wer hat Zugang und wer partizipiert an künftigen Gewinnen? Mit guten Gründen sei die Honorierung von Körpersubstanzen nicht erwünscht, doch ein Ausgleich durchaus denkbar, etwa indem die Pharmaindustrie einen Teil ihrer Gewinne in Form eines benefit-sharing zur Verfügung stelle, um etwa Patientenorganisationen oder andere gemeinnützige Zwecke zu finanzieren. Gleichzeitig muss sicher gestellt werden, dass die Probanden Zugang zu den neu entwickelten Therapien erhalten, um sie so am Gewinn zu beteiligen (access-sharing). Die Datenverwaltung solle in Patienten-Treuhand gelegt werden, um Missbrauch entgegenzuwirken.Auf Positionen wie die Schneiders reagiert die Pharmaindustrie heutzutage keineswegs mehr konfrontativ, wie die Tagung zeigte: Dort nämlich bot eine Vertreterin des auf Gentech spezialisierten Konzerns Aventis der Kritikerin öffentlich und kaum verhüllt die Mitarbeit in ihrem Unternehmen an: Umarmung lautet die neue Strategie, vielleicht aus der Einsicht, dass ohne Kooperation und Vertrauen in diesem Bereich nichts mehr läuft.Ob am Ende die erhofften medizinischen Erfolge stehen, ist ohnehin fraglich. Die Prognosen des Klinikers Stefan Schreiber von der Universität Kiel sind da eher ernüchternd: Zwar lassen sich im Rahmen der Populationsgenetik Risikoprofile erstellen, in den meisten Fällen jedoch keine Vorhersagen. Und die allermeisten Krankheitsverläufe sind so komplex, dass sich nicht auf genetische Ursachen reduzierbar sind. Das Leben ist eben komplizierter, als dass es sich in einer Biobank entschlüsseln ließe.