Erinnern Sie sich noch an jene Latzhosen-Politikerinnen (und vereinzelt sogar Politiker), die vor etwa 15 Jahren mit dem Baby im Tragetuch auf wichtigen Sitzungen oder gar im Bundestag erschienen und vor aller Augen die Brust reichten (erstere) oder Kackwindeln wechselten? Damals schien eine geschlechtsübergreifende neue Mütterlichkeit das Land zu erfassen mit dem erklärten emanzipatorischen Ziel, Haus- und Kinderarbeit öffentlich sichtbar zu machen.
Nun hatten die lieben Kleinen die störende Angewohnheit, auch loszubrüllen, wenn der Parteifreund am Podium vorn eine wahnsinnig wichtige Rede hielt oder in der Ausschusssitzung um Pöstchen gerungen wurde. Da waren Mama und Papa dann froh, als der Nachwuchs endlich heranwuchs und in der - selbstredend alternativen! - Kita oder, besser noch, bei der eigens zu diesem Zweck engagierten Zweitmutti abgestellt werden konnte. Zumal sich die Mediennovität binnen Jahresfrist totlief und man oder frau immer seltener auf den Aufschlagseiten posieren durfte.
Heute überlassen die den (politischen) Kinderkrankheiten entwachsenen Angegraut-Grünen den Baby-Gag alternden Politikervätern, die krisengeschüttelt und sinnsuchend den Quell des Lebens entdecken - oder in ihrem Nachwuchs die bare politische Münze. Der saarländische Lafo flüchtete sich, als sein Fass zu stinken begann, zu Kind und Kuh und lobt fürderhin die Landluft; der finnische Premier Paavo präsentierte seinen Goldschatz beim Nordischen Gipfel und sackte prompt den Gleichstellungspreis der begeisterten spanischen Frauen ein. Gar nicht zu reden vom englischen Tony, der neuen Vaterfreuden entgegensieht und den familiären Wechselfall in ein gewinnträchtiges Medienereignis ummünzt: Staat-Sein oder Baby-Haben, ist hier die Frage.
Nun gibt es in England kein gesetzlich verankertes Recht auf Vaterschaftsurlaub wie in den skandinavischen Ländern oder in der Bundesrepublik, sondern nur die EU-Richtlinie, nach der Vätern 13 Wochen unbezahlter Urlaub zusteht. Den englischen Frauengruppen, die aus dem Blairschen Familienidyll etwas gesellschaftspolitisches Kapital schlagen wollen, sei empfohlen, sich bei ihren Forderungen eher an Schweden als an der Bundesrepublik zu orientieren.
Dort nämlich haben Vati und Mutti zusammen 450 Tage verbindlichen Elternurlaub, den sie sich teilen oder auf Antrag jeweils gegenseitig übertragen können. 30 Tage jedoch müssen jeweils beide einmal bei ihrem Kind bleiben, sonst verfällt die Beihilfe für diesen Monat. Das heißt also, Tonys neuer Wonneproppen hätte zumindest einen Monat lang die Chance, Papa ganz für sich zu haben. Hinzu kommen zehn Tage bezahlten Urlaubs, die jedem schwedischen Vater nach der Geburt eines Kindes zustehen; wenn ein krankes Kind zu betreuen ist, kann das betreuende Elternteil 60 Tage bezahlt frei nehmen.
Im Unterschied zur bundesdeutschen Taschengeld-Regelung (600 für maximal drei, respektive 900 Mark für ein Jahr), wird das sogenannte Elterngeld von der schwedischen Sozialversicherung bezahlt und beträgt beachtliche 80 Prozent des Bruttoeinkommens für 360 Tage; für die restlichen 90 Tage stehen den Eltern derzeit einheitlich 60 Kronen pro Tag zur Verfügung. Wer vor der Geburt nicht lohngearbeitet hat, erhält diesen Betrag über 450 Tage. Flexibler ist auch die Verteilung des Elternurlaubs, der bis zum achten Lebensjahr genommen werden kann. Auf Wunsch können die Eltern Teilzeit arbeiten.
Offenbar ist das schwedische Modell auch für Männer attraktiver als das bundesdeutsche: Während nämlich hierzulande nicht einmal zwei Prozent aller Väter in Elternurlaub gehen, sind es in Schweden circa zehn Prozent, die die Leistungen der Elternversicherung nutzen. Über 50 Prozent aller schwedischen Väter nehmen derzeit ihr Recht auf bezahlten Elternurlaub während des ersten Lebensjahres des Kindes in Anspruch. Und weil das skandinavische Nachbarland großen Wert auf öffentliche Kinderbetreuung legt, kehren viele Schwedinnen innerhalb eines Jahres nach der Geburt ihres Kindes an ihren Arbeitsplatz zurück.
Nun muss sich der kleine Carl-Maurice um den Unterhalt seines Papas keine Sorgen machen, denn Oskar wird lebenslang alimentiert. Politiker auf Probe ist jedenfalls ein lukrativeres Geschäft als Eltern auf Lebenszeit. Und nur Politikern ist die medienwirksame Elternschaft auf Probe vorbehalten.
DIE WICHTIGSTEN VERÄNDERUNGEN AB 2001
Einkommensgrenzen:
Die jährlichen Einkommensgrenze für Eltern mit einem Kind ab dem siebten Lebensmonat wird von 29.400 auf 32.200 Mark erhöht; für allein Erziehende von 23.700 auf 28.400 Mark.
Der Kinderzuschlag für jedes weitere Kind wird von 4.200 auf 4.800 Mark angehoben; im Jahr 2002 auf 5.470, ein Jahr später auf 6.140 Mark. In den ersten sechs Monaten gilt die bisherige Regelung, nach der alle Einkommen über 100.000 Mark im Jahr vom Erziehungsgeld ausgeschlossen bleiben.
Erziehungsurlaub:
Beide Elternteile können künftig auch gemeinsam in Erziehungsurlaub gehen (zusammen maximal drei Jahre). Wenn der Arbeitgeber zustimmt, kann der Elternurlaub auch zwischen dem dritten und achten Lebensjahr des Kindes genommen werden.
Die bislang zulässige Teilzeitarbeit während des Erziehungsurlaubs wird von 19 auf 30 Stunden pro Woche erhöht.
Beschäftigte, die in einem Betrieb mit mehr als 15 Beschäftigten arbeiten, haben Anspruch auf Teilzeitarbeit während des Erziehungsurlaubs.
Erziehungsgeld:
Eltern, die ihren Erziehungsurlaub auf ein Jahr begrenzen, erhalten für zwölf Monate 900 statt bisher 600 Mark.
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