Brandenburg hat Quote

Parität Der erste deutsche Landtag soll in gleichem Maße mit Männern und Frauen besetzt werden. Einige Politiker sind da noch skeptisch
Ausgabe 06/2019
Diese drei Frauen im Brandenburger Landtag könnten schon bald Verstärkung bekommen
Diese drei Frauen im Brandenburger Landtag könnten schon bald Verstärkung bekommen

Foto: Martin Müller/Imago

Osten vor! Brandenburg vor! Nein, nicht beim Klimaschutz, da ist man verhalten, will Arbeitsplätze sichern. Verständlich. Aber wer hätte gedacht, dass Brandenburg einmal Vorreiter würde in Sachen Frauenquote. Als 1990 der Unabhängige Frauenverband – wer kennt ihn heute noch? – für die ersten gemeinsam-deutschen Wahlen kandidierte, erzählten mir die Frauen immer wieder von der Mühsal, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass „ohne Frauen kein Staat zu machen“ sei – so der Titel eines damals kursierenden feministischen Ostsellers.

Nun sind wir mit der Republik in die Jahre gekommen. Und reiben uns die Augen, denn Brandenburg hat eine Quote für seinen Landtag verabschiedet, ein „Parité-Gesetz“. Der Name ist schon deshalb ansprechend, weil er an die an der Spree angelandeten Hugenotten erinnert. Das waren, wenn man so will, die Bewegten des 17. Jahrhunderts, die durch das liberale Potsdam-Edikt Friedrich Wilhelms eine bessere Heimstätte fanden als heutige Flüchtlinge. Lob, wem Lob gebührt, auch wenn der alte Kurfürst ökonomisches Kalkül verfolgte.

Dieses Lob gilt auch der rot-roten Regierungskoalition in Potsdam, die, mit Unterstützung der Grünen und Standing Ovations im Landtag, als erstes Bundesland durchboxte, dass Männer und Frauen gleichberechtigt im Parlament sitzen sollen. Die Parteien müssen nun Männer- und Frauenlisten aufstellen, die im Reißverschlussverfahren gewählt werden. Die Idee hatten einmal die Grünen in die Welt gesetzt, damals, als sie noch bewegt waren.

Positive Diskriminierung nennt man das. Sie hievt Gruppen, die gesellschaftlich unterrepräsentiert sind, mittels eines Reglements in Positionen, die ihnen sonst verwehrt würden. Unter dem Stichwort „Affirmative Action“ wird das seit Jahrzehnten in den USA praktiziert. Und, ja, man kann dem viel entgegenhalten: Frauen sind nicht automatisch die besseren Politikerinnen, die klügeren Köpfe und vieles mehr. Aber genau das behaupten Männer seit Jahrhunderten von sich. Jetzt beginnt der Wettbewerb.

Ein „Pioniervorhaben“ nennt es der eher skeptische Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD), und „nie ohne Risiko“. Ein politisches? Ein verfassungsrechtliches? Mal sehen. Dass die Union gegen das Gesetz stimmen und die AfD dagegenschießen würde, war absehbar. Aber dass die Piratenpartei nun Verfassungsbeschwerde ankündigt, ist aufschlussreich: Wir wussten ja, dass als Piraten meist Männer unterwegs sind, auf sinkendem Schiff. Ulrike Baureithel

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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